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Autor: Matthias Achim Teichert (Partner #FORTSCHRITT)
 - 14.12.2016 -

Die Kernkraft wird sich im 21. Jahrhundert zu einem lukrativen und großen Geschäftsfeld entwickeln. Jedoch mehr durch die Folgen der Nukleartechnik als durch ihre Nutzung.

In den 1950er Jahren begann die ökonomische Verwertung der Kernkraft. Diese Nutzung ließ bei vielen den Irrglauben entstehen, eine günstige und ergiebige Energiequelle erschlossen zu haben. Die Kernkraft entfachte eine Euphorie, die mit der Unterstützung des Atoms for Peace Programms auf dem ganzen Globus Nuklearreaktoren entstehen ließ. Dieser Irrglaube, eine günstige Energiequelle erschlossen zu haben, verflog bereits Ende der 1970er Jahre.

Denn für die Gewährleistung der Sicherheit stiegen die Anforderungen, so dass nur mit staatlichen Garantien und Subventionen die explodierenden Preise beim Kraftwerksbau eingegangen wurden.

Des Weiteren wurden bei der Installation die Lagerung des Mülls als auch der Rückbau der Anlage nur unzureichend betrachtet.

Kernkraft als Big Business

Jedoch hat der eingeschlagene Weg Konsequenzen! Heute existieren weltweit ca. 140 abgeschaltete und ca. 440 aktive Reaktoren. Diese Reaktoren erzeugen ein richtiges BIG BUSINESS! Hier ist jedoch weniger die Energieproduktion gemeint. Die heute oft unbeachteten perspektivischen großen Umsatztreiber sind:

  • Die sich stetig steigernden Anforderungen und Umfänge für die notwendige Sicherheit
  • Der Rückbau mit Beseitigung und Entsorgung der Reaktoren und Anlagen
  • Die Lagerung des strahlenden Materials

Die Anforderungen an die Sicherheit werden seit der Verwendung der Technik kontinuierlich weiterentwickelt und verteuern sich dabei. Die Konsequenz ist, dass ein Reaktor von Westinghouse oder Areva heute bis zu 10 Mrd. € kostet und nicht rund 250 Mio., wie in den 1960er kalkuliert. Auch die Nachrüstungen der in Betrieb befindlichen Reaktoren gehen in die Kosten. Durch die Super-GAUs in Tschernobyl 1986 und Fukushima 2011 erhöhten sich die Anforderungen an die Sicherheit zusätzlich massiv. Denn derartige Katastrophen sollten sich bei den anderen Reaktoren nicht wiederholen. Die Tendenz der letzten Jahre ist, durch feinere Sensorik und umfangreichere Überprüfungen größere Unfälle zu vermeiden. Dies erhöht jedoch die Betriebskosten.

Prozess und Kosten des Rückbaus

Der Rückbau eines Reaktors ist deutlich komplexer als der Abriss eines regulären Gebäudes, da der zeitliche und finanzielle Umfang dementsprechend größer ist. Für die leichtere Nachvollziehbarkeit soll der Rückbau in groben Zügen skizziert werden. Nach der Abschaltung muss der Reaktor herunterkühlen und die Brennstäbe über Jahre im Abklingbecken gelagert werden. Erst nach dem Abkühlen kann der eigentliche Rückbau starten. Zu Beginn müssen alle primären Teile wie Druckbehälter, Dampferzeuger, Beton aus dem Kernbereich sowie den Rohr- und Kühlsystemen entfernt werden. Diese primären Teile sind alle kontaminiert. Die Abbauarbeiten im Kontrollbereich – Reaktorgebäude und Hilfsanlagengebäude – unterliegen ständiger Kontrolle und atomrechtlichen Genehmigungsverfahren. Beim Kraftwerk Unterweser z.B. beläuft sich die Abbaumasse des Kontrollbereichs auf ca. 193.000 Tonnen, wovon ca. 3.800 Tonnen radioaktive Abfälle sind. Die gesamte Anlage hat mit dem konventionellen und nuklearen Teil eine Masse von ca. 675.000 Tonnen. Die Entsorgung von regulärem Bauschutt kostet je Tonne ca. 25€. Für die Reaktoren in Lubin/Greifswald sind bis heute über 2,5 Mrd. und damit 1 Mrd. € mehr ausgegeben worden als ursprünglich geplant. Mit rund 1.000 Mitarbeitern konnte innerhalb von 25 Jahren der Rückbau in Lubin abgeschlossen werden. Jedoch bedeutet dies nicht das Ende der Tätigkeiten, welche auf 2080 taxiert sind und mit einer „Grünen Wiese“ enden sollen. Ein Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums über die Kosten des Reaktor-Rückbaus in Deutschland plant derzeit mit Kosten von 47,5 Mrd. €. Zu einem intensiven Kostentreiber könnte sich das Personal entwickeln. Durch geringe gesellschaftliche Akzeptanz der Kernkraft ist der Personalstock der spezialisierten Ingenieure überproportional gealtert. Denn wer will an einem toten Thema arbeiten, wenn er Zukunftsthemen mitgestalten kann? In Greifswald gelang es Mitte der 1990er Jahre, über 90 % des Rückbau-Teams aus der ursprünglichen Belegschaft zu gewinnen, die Technik und Anlage kannten. Dies wird bei den westdeutschen Reaktoren sicherlich nicht erreicht werden können und somit die Kosten steigern.

Herausforderungen der Lagerung

Die Lagerung des radioaktiven Abfalls ist eine Büchse der Pandora. Denn mit Beginn der Verwertung der Nukleartechnik war die Entsorgung und Lagerung des radioaktiven Abfalls nicht geklärt. Die Versuche, aus dem radioaktiven Abfall neue zivile Produkte herzustellen, waren vor allem kostspielig, aber wenig erfolgreich. Schnelle Brüter und Plutonium-Kraftwerke konnten bis dato nicht industriell und rentabel betrieben werden. Für eine militärische Nutzung sind Plutonium, abgereichertes Uran und weitere Teile des radioaktiven Abfalls aufgrund der hohen Dichte des Materials sehr gut geeignet, jedoch mit hohen gesundheitlichen Risiken verbunden. Der Betrieb der Reaktoren hat global ca. 400.000 Tonnen und in Deutschland ca. 15.000 Tonnen hochradioaktiven Abfall erzeugt. Zusätzlich noch schwach und mittelradioaktive Abfälle, die ca. 90% des Gesamtvolumens ausmachen. Eine genaue Betrachtung dieses Marktes der Entsorgung und Aufbewahrung ist aufgrund der gezielten Unübersichtlichkeit und Intransparenz schwer. Fakt ist, der radioaktive Abfall wird über Millionen von Jahren gefährlich sein und muss sicher aufbewahrt werden, wofür Technik und Personal benötigt werden. So kostet ein einziger Castor-Behälter der Firma Siempelkamp ca. 1,5 Millionen Euro. Das Marktvolumen beläuft sich daher auf mehrere Milliarden Euro pro Jahr.  Aufgrund der extrem langen Halbwertszeit des Abfalls und der nach wie vor ungeklärten Frage zur Endlagerung ist ein Ende der Problematik so schnell nicht in Sicht.

 

Dies war ein Blog aus der Reihe "Big Business" - lesen Sie weitere Blogs aus dieser Reihe, wie z.B.: Der Craft Beer Trend: Zurück zur Vielfalt

Autor

Matthias Achim Teichert

Co-Founder und Geschäftsführer der Think-Tank-Beratungsgesellschaft #FORTSCHRITT.

Matthias Achim Teichert ist Co-Founder und Geschäftsführer der Think-Tank-Beratungsgesellschaft #FORTSCHRITT. Er ist Experte für Company Building und Start-up-Strategien. In diesem Zusammenhang liegen seine Schwerpunkte auf der erfolgreichen Skalierung von Geschäftsmodellen, Go-to-Market-Strategien sowie Marktanalysen. Des Weiteren ist er als Dozent an der WWU Münster für Polit-Ökonomie tätig.

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