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Autor: Sebastian Knöchel (M.A., Mitarbeiter Universität Freiburg)
 - 04.08.2017 -

Die Zulassung der sogenannten Gigaliner erhitzt seit langen die Gemüter in der Verkehrsbranche. Die Bundesregierung hatte im Jahr 2010 beschlossen, dieses Fahrzeugkonzept zu testen, wodurch sich die Befürworter vor allem Einsparungspotentiale und die Chance zur Reduzierung der LKW-Anzahl auf den bundesdeutschen Straßen versprechen. Eine Studie unter der wissenschaftlichen Leitung der Universität St. Gallen ergab im Durchschnitt Einsparpotenziale für Fahrtanzahlen um 32,2%, Treibstoffreduktion um 15,4% und Betriebskosten von 23,3% (Klaas-Wissing et al., 2016). Gegner befürchten hingegen eine weitere Verlagerung des Güterverkehrs hin zur Straße und zu Lasten umweltfreundlicherer Verkehrsträger wie der Schiene.

Seit einigen Jahren laufen Feldversuche in Deutschland mit Lang-Lkw, welche von unterschiedlichen öffentlichen Trägern finanziert und wissenschaftlich begleitet werden. Dabei spielen Fragen zur Verkehrssicherheit, zu technischen Bedingungen sowie infrastrukturellen Auswirkungen eine wichtige Rolle. Wesentliche Ziele der bisherigen Untersuchungen bestanden darin, die Struktur der Güterverkehrsnachfrage und die durch Nachfrage- und Angebotsveränderungen resultierenden Verlagerungswirkungen abzubilden. Bei den im Rahmen von jüngeren Feldversuchen durchgeführten empirischen Erhebungen hat sich gezeigt, dass keine signifikanten Änderungen bezüglich Einsatzmustern und logistischen Strukturen der Lang-Lkw im Vergleich zur Grundlagenuntersuchung aus früheren Jahren eingetreten sind.

Potenziale aufzeigen

Die Potenziale zeigen, dass aufgrund der Einsatzbereiche der Lang-Lkw generell nur ein geringer Teil aller deutschen Lkw-Fahrten (ca. 3,0% in 2014 bzw. 3,2% in 2030) sowie ein geringer Teil aller Eisenbahn- und Binnenschiffstransporte (ca. 1,7% bzw. 2,9%) für die Verlagerung auf den Lang-Lkw geeignet wären. Ein wesentlicher Grund dafür liegt in den logistischen Einschränkungen und Voraussetzungen, womit insbesondere die fehlende notwendige Infrastruktur gemeint ist. Auch die Auswirkungen auf die Infrastruktur wurden untersucht. Jedoch zeigte sich hierbei, dass Faktoren wie Achslast und das Gesamtgewicht mehr Einfluss haben als das Fahrzeugmodell. Bei Betrachtungen der Verwendung und transportierten Lastvolumen zeigte sich, dass die Lang-LKW oft für Güter mit geringer Dichte Verwendung fanden, wobei sich im Durchschnitt keine Erhöhung der Achslast im Vergleich zu konventionellen LKW ergab.


Intermodale Verlagerungen, also eine Zunahme des LKW-Verkehrs zu Lasten von Bahn und Binnenschiffen sind nach den meisten Untersuchungen vernachlässigbar. Weit bedeutender sind hingegen die psychologischen Effekte der Lang-LKW für die übrigen Verkehrsteilnehmer. Denn die Länge des Zuges von bis zu 25 m kann als bedrohlich und einschüchtern wahrgenommen werden.

Rückgänge im Bereich Klimagase

Insgesamt lassen sich aus den Ergebnissen Rückgänge im Bereich Klimagase und Luftschadstoffe ableiten. Diese Effekte sind positiv zu bewerten. Mögliche weitere externe Effekte, wie z. B. eine generelle Zunahme des LKW-Verkehrs, der z. B. durch Neuansiedlungen von Logistik- oder Produktionsstandorten entsteht oder Rebound-Effekte in der Form, dass aufgrund der Effizienzvorteile des Lang-Lkw im Vergleich zum konventionellen Lkw die Transportkosten des Transportsektors insgesamt sinken und deshalb mehr Verkehr nachgefragt werden könnte, lassen sich empirisch nicht ableiten und daher auch nicht seriös darstellen. Auch hat eine genauere Analyse der Konkurrenz- und Wettbewerbssituation des Lang-Lkw zu anderen Verkehrsträgern keine generellen Ungereimtheiten der Modellergebnisse ergeben.


Abschließend lässt sich aus bisherigen Modellergebnissen ableiten, dass der Einsatz des Lang-Lkw insgesamt eine Reduktion von Klimagasen, Luftschadstoffen und Logistikkosten mit sich bringt. Es zeigt sich jedoch auch, dass intermodale Verlagerungseffekte von der Bahn bzw. vom Binnenschiff sehr gering und vernachlässigbar sind. Es wird daher deutlich, dass der Lang-Lkw nur eine mögliche Teillösung und keinesfalls der Heilsbringer zur Eindämmung des Güterverkehrswachstums und den damit einhergehenden Auswirkungen auf die Umwelt darstellt. Der emotionale Diskurs über die „Giga-Liner“ könnte sich durch die in der Studie ermittelten Erkenntnisse versachlichen lassen und positiv verwendet werden. Denn hohes ökologisches als auch ökonomisches Potenzial besitzt der Lang-LKW. Dessen ungeachtet kann eine nachhaltige Veränderung der Herausforderung Güterverkehrswachstum nur im Zusammenspiel mit einer grundsätzlichen Veränderung der dahinterliegenden Nachfrage durch die Kunden erfolgen.

 

Dies war ein Blog aus der Reihe "Markt Trends" - lesen Sie weitere Blogs aus dieser Reihe, wie z.B.: Ölbürokratie - Zwischen Wohnsitzfalle & Strukturwandel

Autor

Sebastian E. Knöchel

Senior Consultant der Think-Tank-Beratungsgesellschaft #FORTSCHRITT.

Sebastian E. Knöchel ist Senior Consultant der Think-Tank-Beratungsgesellschaft #FORTSCHRITT. Er ist Experte für innovative nachhaltige Mobilitäts- und Logistikkonzepte. In diesem Zusammenhang liegen seine Schwerpunkte auf der erfolgreichen Skalierung von Geschäftsmodellen, Go2Market Strategien sowie Markt- und Wettbewerbsanalysen in den Branchen Transportation & Logistics , Mobility, Automotive und Public. Neben seiner externen Promotion an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg ist er zudem als Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg auf verschiedenen Feldern der Betriebswirtschaftslehre tätig.

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