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Autor: Christoph Neumann (Experte für Neue Arbeitswelten bei #FORTSCHRITT)
- 29.07.2022 -

Warum bleiben manche Mitarbeitenden hinter den eigenen Möglichkeiten zurück und warum scheitern Unternehmen oft an den New Work Prinzipien „Freiheit“ und „Selbstverantwortung“? Eine mögliche Erklärung ist fehlende Sicherheit im Unternehmen. Was dies mit meinem ersten Arbeitstag bei #FORTSCHRITT zu tun hat – lesen Sie hier!

In diesem Beitrag geht es um das Prinzip der „Psychological Safety“, wie es u.a. von der amerikanischen Autorin und ehemaligen Google Managerin, Amy Edmondson, propagiert wird. Edmondson sagt: „Psychologische Sicherheit ist ein Schlüsselfaktor für gesunde Teams. Die Aufgabe einer Führungskraft - ob an der Spitze eines Unternehmens oder irgendwo in der Mitte - besteht darin, einen sicheren Raum zu schaffen, in dem die Mitarbeiter ihre Meinung sagen, Fehler machen und sich voll und ganz in die Arbeit einbringen können“ (Edmondson, 2019).

Natürlich wissen wir schon sehr lange, dass Menschen, die sich in ihrem Arbeitsumfeld sicher und geborgen fühlen, eher in der Lage sind, Höchstleistungen zu bringen. Dies hat auch neurobiologische Gründe, denn Unsicherheit führt zur Ausschüttung von Stresshormonen und damit auch schnell zu einer Blockade bei den betroffenen Mitarbeitenden. Wer kennt nicht das schöne Beispiel:

Chef: „Maier, wir müssen reden! Kommen Sie um 14 Uhr in mein Büro!“

Wenn dieser Satz um 8 Uhr morgens fällt, so wird Maier den halben Tag, bis 14 Uhr, psychologisch blockiert sein, nur weil er / sie nicht weiß, was der Chef eigentlich möchte. Die Angst lähmt uns, das weiß schon der Volksmund. Das heißt schon lange bevor Autorinnen wie Amy Edmondson und andere Organisationswissenschaftler sich dem Thema angenommen haben, war dies eigentlich schon bekannt und „common knowledge“. Warum also kommt es jetzt noch einmal mit Macht an die Oberfläche?

Steigende Relevanz von psychologischer Sicherheit

In der heutigen VUCA-Welt (Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity) wird das Prinzip der psychologischen Sicherheit wichtiger denn je. Auch im New Work-Umfeld, welches charakteristisch durch mehr Freiheit und Selbstverantwortung geprägt ist (vgl. #FORTSCHRITT-Studie „Zukunft der Arbeit“) wird es immer wichtiger, den Mitarbeitenden ein Umfeld zu bieten, welches sie als „ehrlich und wahrhaftig“ empfinden, denn nur so können Ansätze aus dem New Work Framework wie Freiheit und Selbstverantwortung wirklich funktionieren. Ein gutes Beispiel ist das so viel zitierte und oft gerne mit New Work verwechselte mobile Arbeiten (siehe auch Beitrag zur erfolgreichen Gestaltung von Workation).

Auch beim mobilen Arbeiten müssen die Erwartungen vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer und vice versa klar formuliert, ausgesprochen und am besten verschriftlicht sein, um ein Gefühl der Sicherheit und damit auch ein höheres Selbstwirksamkeitsempfinden der Arbeitnehmenden auszulösen. Hier können schon kleine Unachtsamkeiten wie ein „blöder Spruch“ schnell zu Verunsicherungen führen und offenlegen, wie ernst es die Führungskraft wirklich mit der Selbstverantwortung meint. Einen Einblick in die Einführung neuer Arbeitswelten habe ich in einem früheren Beitrag gegeben: Best Practice - New Work im Unternehmen

Sicherheit und ihre psychologische Wirkung

Unser Gehirn ist eine Sicherheit produzierende Maschine - und Sicherheit schaffen triggert unser Belohnungssystem ganz enorm. Andersherum wirkt ein hohes Maß an Unsicherheit sehr demotivierend und, wie schon beschrieben, lähmend auf unseren Organismus. Die Sicherheit wird dabei auch als Fähigkeit zu akkuraten Vorhersagen über die Zukunft beschrieben. Dies wiederum bedeutet, dass es nicht darum geht, zu jedem Zeitpunkt „in Sicherheit“ zu sein und damit z.B. auch weniger zu arbeiten, da ich ja nicht entlassen werden kann. Es bedeutet vielmehr, jederzeit gute Voraussagen darüber abgeben zu können, welches Verhalten und welche Leistung zu welchen Reaktionen führen wird. Wenn ich weiß, dass meine Leistung so schlecht ist, dass ich von Entlassung bedroht bin, gibt mir das trotzdem ein Gefühl der Sicherheit und ist die Basis für eine Veränderung.

Die psychologische Sicherheit ist eine Grundvoraussetzungen für echten und tiefgreifenden Wandel (in Unternehmen) und sollte bei allen Transformationsprojekten mit in den Mittelpunkt der Betrachtung rücken. Deswegen ist die Beobachtung der Sicherheit im Unternehmen auch Teil des #FORTSCHRITT-Organisationsentwicklungszirkels.

FORTSCHRITT Organisationszirkel

Abb. 1: #FORTSCHRITT-Organisationsentwicklungszirkel, eigene Darstellung.

In ihrem TEDx-Vortrag bietet Edmondson (2019) drei einfache Dinge an, die jeder Einzelne tun kann, um die psychologische Sicherheit im Team zu fördern:

  • Betrachten Sie die Arbeit als ein Lernproblem, nicht als ein Ausführungsproblem (siehe auch Beitrag zum lebenslangen Lernen).
  • Erkennen Sie Ihre eigene Fehlbarkeit an.
  • Neugierde vorleben und viele Fragen stellen.

Ich würde diese Punkte gerne noch um „Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit“ ergänzen. Nur wenn Führungskräfte und Mitarbeitende es wirklich ernst miteinander meinen, kann auch eine echte psychologische Sicherheit entstehen. Und selbst in Organisationen, wo dies absolut der Fall ist, kann es Tage geben, an denen es besser funktioniert und Tage, an denen es schlechter funktioniert. Auch dies sollten wir als völlig normal ansehen und als Anreiz aufnehmen, um weiter daran zu arbeiten.

Frithjof Bergmann hat den Satz geprägt, dass Arbeit uns stärken und nicht schwächen soll und dass wir Menschen das tun sollten, was wir wirklich wirklich wollen. All dies ist nur in einem Umfeld möglich, in dem wir uns völlig sicher sein können, wir selbst sein zu können, ohne Ablehnung zu erfahren.

Eine persönliche Erfahrung...

Als ich vor fast zwei Jahren meinen ersten Arbeitstag bei #FORTSCHRITT hatte, haben wir uns zu einem Strategietag im Frankfurter Büro getroffen. Spannend war für mich nicht nur, all die neuen Kolleginnen und Kollegen kennenzulernen, sondern auch insbesondere ihr Umgang miteinander und mit den Führungskräften zu verfolgen.

Was konnte ich beobachten? Es wurde richtig - aber wirklich richtig hitzig diskutiert und kein Blatt vor den Mund genommen! Zuerst ein bisschen schockiert, denn ich kam aus einer Organisation, wo dies niemals denkbar gewesen wäre, war und bin ich seitdem sehr dankbar, dass es bei uns so ist.

Denn nur wenn man das Gefühl hat, dass man seine Ideen, Ängste und Sorgen jederzeit im Unternehmen äußern und auch mit Nachdruck vertreten kann, hat man wirklich psychologische Sicherheit erreicht.

Was bedeutet das bei uns bei #FORTSCHRITT im täglichen Handeln?

Wir erleben, dass unsere Führungskräfte ehrlich und wahrhaftig unsere Meinungen und Einstellungen zu allen Themen aufnehmen und reflektieren und scheuen uns daher nicht, die Dinge offen anzusprechen. Das bedeutet auch, dass wir in der Regel viel bessere Entscheidungen treffen können, da diese zu 0% politisch oder taktisch geprägt sind. Dies wiederum führt zu einer höheren Qualität unserer Beratung, um nur einen Aspekt zu nennen.

#FORTSCHRITT-Fazit

Sorgen Sie für echte psychologische Sicherheit in ihrer Organisation, wenn Sie Wandel anstoßen und ihre Mitarbeitenden zu Höchstleistungen motivieren möchten. Dies kann und sollte über ehrliche, offene, und transparente Kommunikation sowie die Etablierung von transparenten Systemen erfolgen. Sorgen Sie dafür, dass Ihre Mitarbeitenden zu keiner Zeit Unsicherheit verspüren, denn dies ist betriebswirtschaftlich und menschlich gesehen ein Verlust (Edmondson, 2019).

Gerade in Zeiten des Fach- und Führungskräftemangels achten Bewerber:innen sehr stark auf das Klima, welches in den Unternehmen herrscht und dieses wird ab der ersten Begegnung mit dem Unternehmen nach außen getragen. Mitarbeitende, die eine hohe psychologische Sicherheit verspüren, werden immer ein sehr positives Bild vom eigenen Unternehmen, auch in den sozialen Medien, vermitteln und damit zum Employer Branding beitragen.

Die Einführung der fünf Prinzipien von New Work (Sinn, Soziale Verantwortung, Entwicklung, Freiheit und Selbstverantwortung) zahlen ebenfalls sehr stark auf dieses Thema ein, wie die neueste #FORTSCHRITT-Studie "Zukunft der Arbeit - New Works als Heilsbringer?" zeigt und kann sehr gut um die Einführung und konsequente Umsetzung von psychologischer Sicherheit ergänzt werden.

 

Wenn Sie diesen Beitrag zitieren möchten, nutzen Sie gerne folgende Quellenangabe:

Neumann, C. (2022, 29. Juli). Psychologische Sicherheit kann zu Höchstleistungen führen – oder auch nicht! FORTSCHRITT GmbH. https://fortschritt.co/blog-de/275-psychologische-sicherheit-kann-zu-hoechstleistungen-fuehren-oder-auch-nicht

  • Literaturverzeichnis

    Edmondson, A. C. (2014, 5 Mai). Building a psychologically safe workplace [Video]. YouTube. https://www.youtube.com/watch?v=LhoLuui9gX8

    Edmondson, A. C. (2018). The fearless organization: Creating psychological safety in the workplace for learning, innovation, and growth. Wiley.

    Schermuly, C. (2022). New Work Utopia. Haufe.

    Strelecky, J. P. (2019). Das Leben gestalten mit den Big Five for Life. Das Abenteuer geht weiter. dtv Taschenbücher.

  • Kontakt zu unserem Experten

Autor

Christoph Neumann

Experte für Neue Arbeitswelten bei #FORTSCHRITT.

Christoph Neumann ist seit mehr als 10 Jahren in der Beratung von KMU und Konzernen in den Bereichen Personalentwicklung und Neue Arbeitswelten tätig und verfügt über langjährige Führungserfahrung im Bereich Vertrieb und Marketing sowie Turnaround-Management. Er war Geschäftsführer der größten studentischen Wirtschaftskonferenz – des Campus Symposiums – und ist Geschäftsführer und Gesellschafter eines Start-up-Inkubators und Coworking-Spaces im sauerländischen Iserlohn – dem WELTENRAUM. Er ist Mitglied mehrerer Expertenkommissionen zu dem Thema New Work und gehört zum Kreis des „Next Generation Networks“ des Aspen Institutes Deutschland.

Christoph ist ebenfalls Co-Autor der Studie "Zukunft der Arbeit - New Work als Heilsbringer?".

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