Website Header Publikationen

Autorin: Mareike Schäfer (Managerin #FORTSCHRITT)
- 27.07.2018 -

Warum schaffen es manche Unternehmen, Krisen zu überwinden, während andere grandios scheitern? Welche Gründe gibt es hierfür und was kann ein Unternehmer dagegen tun? VUCA bietet einen Ansatz dafür, welche Faktoren relevant sind und was in einer sich immer schneller verändernden Welt Maßnahmen für erfolgreiche Unternehmensführung sind.

Die Kunst, durch die VUCA-Welt zu steuern

Tesla, ThyssenKrupp und GE, aber auch viele Mittelständler erleben es im Moment: Viele Unternehmen, wie z. B. Adidas, Heidelberger Druckmaschinen oder T-Mobile, haben die Erfahrung in den letzten Jahren durchlebt und einen erfolgreichen Turnaround geschafft. Die Rede ist von der Krise, der Vielzahl an Veränderungen und Entwicklungen, die in den letzten Jahren gefühlt verstärkt auftreten und neue Anforderungen an Führung und Management stellen.

In den späten 1990er definierte das US Army War College den Begriff VUCA, um die volatilere, unsicherere, komplexere und mehrdeutige Welt, die aus dem Ende des Kalten Krieges resultierte, zu erklären. VUCA steht als Akronym für „volatility“, „uncertainty“, „complexity“ und „ambiguity”. Diese Eigenschaften beeinflussen eine sich durch Digitalisierung und technologischen Fortschritt immer schneller verändernde Unternehmenswelt.

Doch was bedeutet es für Unternehmensführer, Manager und Führungskräfte, in einer VUCA-Welt erfolgreich am Ruder zu sitzen? Was hat VUCA mit digitalem Leadership zu tun?

Bild3

Abbildung 1: Überblick und Lösungsansätze für digitales Leadership in der VUCA-Welt

Volatilität – oder die Masse an Schwankungen

Volatilität entwickelt sich, wenn Marktteilnehmer ihre Meinung ändern, der Unternehmenswert sinkt bzw. steigt. Dies kann durch Wirtschaftsmeldungen, politische Signale und disruptive Entwicklungen herbeigeführt werden. Je höher das Ausmaß der Marktschwankungen ausfällt, was sich z. B. in Preisen, Aktien- und Devisenkursen und Zinssätzen widerspiegelt, desto volatiler ist der Finanzmarkt und desto höher die Risiken für ein Unternehmen. Besonders im ersten Halbjahr 2018 waren die Märkte volatiler als im Vorjahr und wiesen höhere Marktschwankungen auf, was sich auf die Drohung von Strafzöllen der US-Regierung, den Brexit oder neue Technologien, wie der Kryptowährung zurückführen lässt.

Um einem Aktieneinbruch bzw. schwankenden Bewertungen des eigenen Unternehmens oder z. B. steigenden/schwankenden Preisen bei Rohstoffen entgegenzuhalten, bedarf es einer starken Unternehmensvision. Eine wirksame Vision dient als Wegweiser und zeichnet ein Bild der Zukunft des Unternehmens. Sie stellt Identität in der Belegschaft mit dem Unternehmen her. Dies sind alles wichtige Eigenschaften, die Führungskräften und Mitarbeitern auch in Krisenzeiten Halt geben und lenken.

Im zweiten Schritt ist eine starke Unternehmensmarke und ein damit einhergehendes Employer Branding unerlässlich. Eine starke Marke erzielt eine hohe Anziehungskraft bei allen Stakeholdern und repräsentiert ein Markenversprechen. Das Markenversprechen umfasst die funktionalen und emotionalen Aspekte der Marke und zeigt den Stakeholdern, was diese vom Unternehmen erwarten dürfen. Dadurch wird ein Unternehmen als wertig und vertrauenswürdig wahrgenommen, was zu einem Goodwill bei Mitarbeitern und Kunden führt. Dieser Goodwill und der Glaube an die Marke sind ebenfalls wichtige Faktoren, um Krisen erfolgreich überstehen zu können.

Unsicherheit – oder die Kunst der fehlenden Prognosen

Jedes Jahr von September bis Dezember finden in den meisten Unternehmen die Jahresplanung und Zielsetzung für das darauffolgende Jahr statt. Viele Unternehmen addieren auf die realisierte Jahresleistung das gewünschte Wachstum und legen dies als neuen Zielwert für das kommende Jahr fest. Globalisierung, Volatilität und unvorhersehbare Krisen machen jedoch die Realisierung dieser Ziele und Prognosen immer schwieriger, sodass eine gewisse Unsicherheit eintritt.

Wenn man den Begriff Unsicherheit genauer interpretiert, kann dieser in zwei Faktoren gespalten werden: Die Unsicherheit im engeren Sinne und das Risiko. Ein Risiko ist eine Kennzeichnung der Eventualität, dass mit einer (niedrigen oder unbekannten) Wahrscheinlichkeit ein (hoher oder in seinem Ausmaß unbekannter) Schaden bei einer (wirtschaftlichen) Entscheidung eintritt oder ein erwarteter Vorteil ausbleibt. Risiken im Unternehmen strukturiert zu erkennen und Maßnahmen im Rahmen des Risikomanagements zu erarbeiten, ist für Unternehmen unerlässlich. Auf der anderen Seite wird dieses Thema durch diverse Gesetze vom Gesetzgeber gefordert. Die wichtigsten Gesetze zum Thema Risikomanagement sind unter anderem im Bilanzrechtsmodernisierungsgesetze BilMoG und BilReg, Sarbanes-Oxley-Act sowie TransPuG zu finden. Darüber hinaus werden Mindestanforderungen an das Risikomanagement im MARisk (BA), bei den Anforderungen des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) sowie in den DIN ISO Normen 31000 beschrieben.

Im Gegensatz zum Risiko kann man bei der Unsicherheit im engeren Sinne keine Eintrittswahrscheinlichkeit ermitteln, wodurch sich die Unsicherheit nicht bewerten und steuern lässt. Dabei kommt die Frage auf, welche Möglichkeiten Führungskräfte in diesen unsicheren Zeiten haben, um trotzdem ein Unternehmen erfolgreich zu leiten.

Aus Sicht der Unternehmens- und Mitarbeiterführung ist es umso wichtiger, den Mitarbeiter und den Markt im Detail zu verstehen. Eine Lösung hierfür ist die nutzerzentrierte Führung. Unternehmen werden sich zukünftig noch stärker auf den „Menschen“ fokussieren müssen. Mit diesem Ansatz werden Mitarbeiter nicht mehr als Durchführungsgehilfen gesehen, sondern als interne „Kunden“ betrachtet und behandelt. Um Maßnahmen aus der nutzerzentrierten Führung abzuleiten, können Tools der nutzerzentrierten Produktentwicklung adaptiert werden. Eine Möglichkeit der Umsetzung der nutzerzentrierten Führung ist die Adaption des Value Proposition Canvas als Führungsinstrument für einzelne Mitarbeiter oder - je nach Unternehmensgröße - für Mitarbeitergruppen. Die größere Herausforderung für Unternehmen wird jedoch sein, das Umdenken der Führungskräfte und Manager in Bezug auf ein neues Führungsverständnis herbeizuführen.

Adaption Value Proposition Canvas für die nutzerzentrierte Führung Teil 1

Abbildung 2: Adaption Value Proposition Canvas für die nutzerzentrierte Führung - Teil 1

Bild2

Abbildung 3: Adaption Value Proposition Canvas für die nutzerzentrierte Führung - Teil 2

Komplexität – oder das Leben im Labyrinth

Komplexität entsteht immer dann, wenn die Anzahl der zu berücksichtigenden Einflussgrößen wächst, die Interdependenzen zwischen Einflussgrößen ausgeprägter sind und zusätzlich verschiedenartige Einflussgrößen berücksichtig werden müssen.

Gemeinsam mit einer starren, aufgeblähten Organisationsstruktur wird es somit immer schwieriger, (richtige und langfristige) Entscheidungen zu treffen und Innovationen zu fördern.

Eine Möglichkeit, Komplexität zu reduzieren, besteht darin, komplexe Themenstellungen zu teilen (innerhalb eines Unternehmens, aber auch außerhalb der Unternehmensstrukturen). Ein geeigneter Ansatz hierfür ist im Innovationsbereich „Open Innovation“ zu finden. Bei dieser Methode öffnen sich Unternehmen der „Außenwelt“ und erhalten durch unterschiedliche Formate (Hackathons, Ideenwettbewerbe, Ideenplattformen) Herangehensweisen und Know-how von Experten und Organisationen, die nicht dem Unternehmen angehören.

Interne Strukturen und Entscheidungsfindungen können durch agile und flache Hierarchiestrukturen, moderne Kommunikationsmethoden und einer neuen Führungsstrategie, wie zum Beispiel Objectives and Key Results (OKR), verbessert werden. Erfolgreich implementierte Kommunikationstools, wie z. B. Slack oder Teams, führen zu einer besseren und schnelleren Teamorganisation und einer Verflachung des Hierarchiegefälles in der Kommunikation. Komplexität im Unternehmen kann aber vor allem durch eine veränderte Zielvereinbarung verringert werden. Bei OKR werden im ersten Schritt Ziele festgelegt und diesen messbare Schlüsselergebnisse (Key Results) zugeordnet. Key Results werden für einen bestimmten Zeitraum (im Normalfall 3 Monate) definiert. Nach diesem Zeitraum wird ein Review durchgeführt und neue Key Results erstellt. Durch diese kürzer angelegten „Sprints“ kann flexibel auf kurzfristige Geschehnisse reagiert werden, ohne das „Große Ganze“ aus dem Auge zu verlieren.

Ambiguität (Mehrdeutigkeit) – Grau ist das neue Weiß

Hinter der Mehrdeutigkeit im Managementkontext verbirgt sich die Herausforderung, dass Entscheidungen immer undurchsichtiger und komplexer werden. Dies lässt sich u.a. darauf zurückführen, dass es immer schwieriger wird, Informationen richtig zu bewerten und somit einfache Interpretationen von Ursache-Wirkung-Zusammenhängen immer seltener werden. Viele Unternehmen versuchen diese Herausforderung mit dem Sammeln von noch mehr Daten und Informationen auszugleichen, was bei mangelnden Kenntnissen im Bereich von Big Data bzw. falscher Interpretation der Daten zur Verlangsamung der Unternehmensprozesse und zu falschen Entscheidungen führt. Es ist nicht mehr alles nur schwarz oder weiß.

Gut zu erklären ist dieses Phänomen am einfachen Beispiel „Wechsel eines Kunden bzw. Kündigung eines Vertrages“. Sehr vereinfacht dargestellt waren in der Vergangenheit entweder ein günstigeres Angebot der Konkurrenz von nebenan oder Qualitätsunterschiede die Hauptgründe für einen Wechsel zu einem anderen Anbieter. Heute kann diese Entscheidung zusätzlich durch Globalisierung, Disruption von Geschäftsmodellen durch z. B. Amazon oder die sich immer schneller verändernde Kundenanforderungen ausgelöst werden. Eine genaue Zuordnung der Gründe ist oft nicht mehr möglich.

Eine Möglichkeit, Licht ins Dunkle zu bringen, ist eine iterative und testende Herangehensweise, wie z.B. die Lean Startup Methode. Bei der Lean Startup Methode stehen schlanke Prozesse und das Lernen durch iteratives und kundenzentriertes Testen im Fokus. Durch kontinuierliches Kundenfeedback und das Testen von Hypothesen erhält man sehr früh Rückschlüsse auf die aktuelle Produktentwicklung. Durch diese agile Herangehensweise wird der Entwicklungsprozess schlank gehalten und die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns reduziert.

Dieser agile Ansatz lässt sich aber nicht nur in der Produktentwicklung anwenden. Ein herausragendes Beispiel für agile Unternehmensführung ist das Unternehmen sipgate. Unternehmensweit werden verschiedene Methoden, wie z.B. der Open Friday (Openspace-Veranstaltung für alle Mitarbeiter jeden 2. Freitag), Arbeiten in sich selbstorganisierenden Teams ohne mittleres Management und OKRs, eingesetzt. Bei dem Format „Open Friday“ wird in regelmäßigen Veranstaltungen mit einem Open Space Ansatz an Ideen von Mitarbeitern gearbeitet. Sipgate arbeitet vollständig in selbstorganisierten Teams, was dazu führt, dass selbst Einstellungen neuer Mitarbeiter durch das Team entschieden werden. Das Team ist ebenfalls für die Ergebnisse und Erfolge, aber natürlich auch für Fehler und Misserfolge verantwortlich. Durch adaptierte Ergebnistypen von SCRUM auf Unternehmensebene werden regelmäßige Reviews, eine Feedbackkultur und kontinuierliche Weiterentwicklung gefördert.

Fazit – oder was bringt mir dieser Blog?

Natürlich werden jetzt viele Leser im Kopf haben – eigentlich mussten sich Unternehmen schon immer mit Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität beschäftigen, also alles kalter Kaffee, oder? Aber es gibt Gründe, warum manche Unternehmen Krisen überstehen, die Fähigkeit besitzen Turnarounds zu schaffen und Geschäftsmodelle anzupassen, während andere, oft alteingesessene, Unternehmen es nicht schaffen. VUCA bietet hierfür ein Framework und Handlungsoptionen für aktuelle Herausforderungen in der Unternehmensführung.

Interessieren Sie sich auch für diese Herausforderungen? Haben Sie weitere Lösungsansätze? Wir sind wie immer auf einen Austausch mit Interessierten gespannt und freuen uns auf die Diskussion!

  • Literaturangaben
    • Grömling, M (2016). Unsicherheit bremst die Wirtschaft. Hier online verfügbar, zuletzt überprüft 06. Juli 2018.
    • Kamps, U. (2018). Hier online verfügbar, zuletzt überprüft 06. Juli 2018.
    • Kirk, L., (2013). Developing Leaders in a VUCA Environment. Hier online verfügbar, zuletzt überprüft 06. Juli 2018.
    • Mois T. & Baldauf C. (2016). 24 Work Hacks … auf die wir gerne früher gekommen wären.
    • Sinn, W. (2017). Die drei häufigsten Krisen in Unternehmen - und wie man sie meistert. Hier online verfügbar, zuletzt überprüft 06. Juli 2018.
  • Kontakt zu unserer Expertin

Autor
Mareike Schäfer

Managerin bei #FORTSCHRITT.

Mareike Schäfer ist Managerin bei der Think-Tank Beratung #FORTSCHRITT: Sie ist Expertin für die Themen New Work, nutzerzentrierte Produktentwicklung und Leadership. In diesem Zusammenhang liegen ihre Schwerpunkte auf der Gestaltung und Einführung neuen Arbeits- und Führungskonzepten sowie der internen Aus- und Weiterbildung der Kollegen.

 

 

FORTSCHRITT GmbH 

Berlin
Gitschiner Straße 92
10969 Berlin
Fon: +49 30 67 79 52 33

Frankfurt
Kaiserstraße 50
60329 Frankfurt am Main
Fon: +49 69 24 24 62 22

Mail: kontakt@fortschritt.co

Iserlohn
Nordengraben 2
WELTENRAUM
58636 Iserlohn
Fon: +49 177 49 22 578