Autor: Daniel Patrick Brugger (Partner #FORTSCHRITT)
- 18.12.2019 -

Nische oder zukunftsträchtiger Branchenzweig? Wie sieht das Marktpotenzial heute aus und wo führt der Weg des Craft Beers in Zukunft hin? Was unternehmen Brauer bereits, um ihr Produkt zu vertreiben und welche Maßnahmen sollten sie darüber hinaus umsetzen, damit sich Craft Beer auf dem deutschen Markt etabliert? Diesen und weiteren Fragen gehen wir in diesem Beitrag nach.

Eine eindeutige und klare Definition von Craft Beer gibt es nicht. Dennoch herrscht in der Szene ein einheitliches Verständnis darüber, dass es sich bei Craft Beer um ein handwerklich gebrautes Bier handelt, bei dessen Herstellung hochwertige und alternative Zutaten verwendet werden, woraus unkonventionelle Geschmacksrichtungen resultieren. Allgemein steht das Wiederbeleben alter Brau-Traditionen und das Experimentieren im Fokus1.

Spricht man mit Craft Beer Brauern, erwecken diese oft den Eindruck, als würde man sich mit Künstlern und weniger mit „Handwerkern“ unterhalten. Es ist die Rede von Kreativität, Leidenschaft, von Geschichten, die ihr Craft Beer erzählt, aus denen Ideen zu bestimmen Geschmacksrichtungen entstehen – vergleichbar mit einem Musiker, der Emotionen und Erfahrungen in seinen Songs verarbeitet.

Doch bei dem vorherrschenden Trend, der medialen Präsenz und den Diskussionen um Craft Beer in den vergangenen Jahren, stellt sich die Frage: Wie sieht der Craft Beer Markt in Deutschland eigentlich aus? Gerade die wirtschaftlichen Potenziale sind hierbei besonders interessant. Um diesen Überlegungen auf den Grund zu gehen, beschäftigt sich dieser Beitrag mit folgenden Leitfragen:

  • „Kann aus dem derzeitigen Trend um Craft Beer ein konkurrenzfähiger Branchenzweig erwachsen?“
    und
  • „Wie sehen die Entwicklungen bzw. die Perspektiven des Craft Beers in naher Zukunft aus?“

Genau diese Fragen haben wir im Rahmen einer qualitativen Studie mit über 130 Interviewteilnehmern einmal im Detail untersucht.2

Hin und wieder wird in den Medien von einem „Hype“ um Craft Beer gesprochen. Ein Hype würde jedoch nur eine übertriebene und oberflächliche Begeisterung bedeuten, die auf Grundlage der nachfolgend aufgeführten Einschätzungen der Szene nicht unbedingt geteilt werden kann. Vielmehr wird die Meinung vertreten, dass sich der stattfindende Aufschwung zu einem erfolgreichen Branchenzweig entwickeln wird.

Einschätzung Marktpotenzial – Kein Hype, kein Trend - ein Branchenzweig

Diese Einschätzung basiert, neben der Erhebung des Marktpotenzials, maßgeblich auf den wirtschaftlichen Faktoren, die Craft Beer Brauereien im Rahmen der Interviews ausgewiesen haben:

 Craft Beer Grafik 1

Abb. 1: Potenzial des Craft Beer Marktes (FORTSCHRITT, 2018)

Die Eigenwahrnehmung der Brauer negiert die Einschätzung eines Hypes und erteilt dem Potenzial eine realistische Chance. Der mehrheitliche Anteil der Befragten schätzt das Potenzial überwiegen positiv ein (Stufen 5 - 8 (in Summe 77%)). Dies stärkt die These, dass es sich um einen Trend handelt, der sich zu einem konkurrenzfähigen Branchenzweig auf dem Bier- und damit auch auf dem Getränkemarkt entwickeln kann. Jedoch zeigen die Ergebnisse auch, dass sich Craft Beer aus Sicht der Branchenvertreter noch nicht durchgängig auf dem Markt etabliert hat.3

Geht man in einem weiteren Schritt der Betrachtung der Wirtschaftlichkeitsfaktoren nach, so kann festgehalten werden, dass die Branche auf Wachstum setzt:

 Craft Beer Grafik 2

Abb. 2: Investitionen in die Craft Beer Herstellung (FORTSCHRITT, 2018)

Betrachtet man das Verhältnis von Marktanteil und Ausstoßmenge, dann wird durch die Zahlen der geplanten Investitionen in Craft Beer je Brauerei deutlich, dass Craft Beer Brauereien überproportional in Wachstum investieren. Diese Erkenntnis ist vor allem unter zwei Gesichtspunkten interessant. Zum einen bestätigt es den Wachstumswunsch und die Expansionsfreudigkeit der Craft Beer Brauer. Zum andern zeigt es, dass sie auch gewillt und in der Lage sind, dafür entsprechende Summen zu investieren. Letzteres wird zu überwiegenden Teilen durch klassische Kredite/Darlehen sowie durch die Integration von Investoren ermöglicht.4

Dass die Branche auf Wachstum setzt, zeigt auch die Bereitschaft, die Ausstoßmengen zu erhöhen und nicht nur monetäre Mittel in die Vermarktung sowie die Bekanntheit der eigenen Marke zu investieren:

 Craft Beer Grafik 3

Abb. 3: Prognose der Ausstoßerhöhung (FORTSCHRITT, 2018)

Erfolgsfaktoren für Craft Beer – Innovative Geschäftsmodelle

Der innovative Geist der Craft Beer Szene erstreckt sich über die Wiederbelebung von alter Brautradition, Bierstilen sowie Entwicklung einzigartiger Geschmackswelten5. Jedoch wird das Craft Beer an sich, unabhängig vom Gebinde, am Ende des Tages genauso über den Tresen verkauft, wie alle anderen Getränke auch.

Wenn auch leicht provokant formuliert, ist die Craft Beer Szene im Grunde genommene eine Community, die mit innovativen, leidenschaftlichen und experimentierfreudigen Ansätzen ein Produkt kreiert, das neue Kunden- und Interessengruppen anspricht. Jedoch wird dieses Produkt ähnlich emotions- und innovationslos vertrieben, wie die Konkurrenzprodukte und Substitute (TV-Bier, Wein oder Whiskey).

Darüber hinaus waren zum Zeitpunkt der Erhebung Services rund um das Themenfeld Craft Beer nur rar bis gar nicht vorhanden. Doch genau in diesen Bereichen liegen großes Potenzial und erhebliche Chancen für eine erfolgreiche Marktdurchdringung. Dies betrifft nicht nur den Absatz, sondern vor allem die Imagewirkung, um das Produkt Craft Beer in Deutschland gesellschaftsfähig zu machen und um es aus einem Nischenmarkt in einen erwachsenen Branchenzweig zu führen.

Möglichkeiten dafür gibt es unzählige, von Kontingentverkauf, Auktionen, Abo-Modellen bis zu Mietoptionen, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Kreativität und Innovation in der Produktentwicklung kann man den Brauern absolut nicht absprechen. Jedoch ist von eben jener Innovationskraft beim Thema Geschäftsmodell nur wenig zu spüren.

Warum versteigert man eine limitierte Auflage eines außergewöhnlichen Suds nicht einfach mal? Ergänzend zu positiven Absatzeffekten würde dies auch die mediale Präsenz erhöhen. Oder warum vermietet man nicht Flaschen, welche man gegen neue, volle Flaschen jederzeit eintauschen kann? Damit würde man dem Kunden eine hohe Flexibilität geben, die große Vielfalt an Bierstilen, -arten und Geschmacksrichtungen ausprobieren zu können. Hierbei kommt schnell die Frage nach dem Pfand- bzw. dem generellen Rückgabesystem auf. Es wäre wünschenswert, wenn sich die Brauer in dieser Angelegenheit mit einer ähnlichen lösungsorientierten Hingabe beschäftigen würden, wie sie es bei der aufwändigen Herstellung ihres Produktes vermögen.

#FORTSCHRITT Fazit

Die extrahierten Einsichten verdeutlichen den Willen der Craft Beer Brauer zum strukturierten Wachstum. Volumenreiche Investments in einem kurzen Zeithorizont von zwei Jahren, und dies maßgeblich in die Erhöhung der Ausstoßmengen, spricht für optimistische Absatzprognosen. Hiermit folgt der deutsche Markt langsam, aber beständig dem positiven Beispiel anderer Märkte, in denen Craft Beer bereits am Markt etabliert ist (z.B. in den USA).

Ein Blick in die Gesamtstudie Hopfen & Malz - Craft Beer erhalt's? Eine Studie zum Potenzial des deutschen Craft Beer Marktes von #FORTSCHRITT eröffnet noch einige weitere Erkenntnisse.

Darüber hinaus liegen noch reichlich ungenutzte Potenziale im Bereich der Geschäftsmodelle. Die Innovationsfreude und Kreativität, die Brauer in ihren Produkten verwirklichen, geht auf dem derzeitigen Mainstream-Vertriebsweg leider verloren. Sicherlich ein Faktor, der vor allem den Kunden außerhalb der Craft Beer Szene den Zugang zum Produkt erschwert. Bei der Kaufentscheidung im Geschäft zwischen TV-Bier und Craft Bier spielt aufgrund der (Un-) Bekanntheit letztlich auch der Preis eine entscheidende Rolle.

#FORTSCHRITT Ausblick

Zwei Faktoren geben Anlass zur Freude:

  1. Die Potenziale sind nun bekannt und können genutzt werden.
  2. #FORTSCHRITT veröffentlicht im Jahr 2020 die erste deutschlandweite Endkundenbefragung zum Thema Craft Beer.

Damit lassen sich Kunden noch besser verstehen und Craft Beer Brauer können mit diesen Erkenntnissen noch präziser ihre Stärken ausspielen.

Craft Beer - Des Deutschen liebstes Kind? – Noch nicht, aber bald!

  • Literaturverzeichnis

    1 https://craftbeer-revolution.de/lexikon/craft-beer-eine-erklaerung

    2 Christ, Brugger, Schäfer (2018) Studie „Hopfen & Malz Craft - Beer erhalt´s? Eine Studie zum Potenzial des deutschen Craft Beer Marktes“, FORTSCHRITT GmbH

    3 Christ, Brugger, Schäfer (2018) Studie „Hopfen & Malz Craft - Beer erhalt´s? Eine Studie zum Potenzial des deutschen Craft Beer Marktes“, FORTSCHRITT GmbH

    4 Christ, Brugger, Schäfer (2018) Studie „Hopfen & Malz Craft - Beer erhalt´s? Eine Studie zum Potenzial des deutschen Craft Beer Marktes“, FORTSCHRITT GmbH

    5 Oliver Wesseloh, Julia Wesseloh: Bier leben: Die neue Braukultur. Rowohlt, 2015

Autor
Daniel Brugger

Co-Founder und Geschäftsführer der
Think-Tank-Beratungsgesellschaft #FORTSCHRITT, Initiator & Gastgeber der HINTERHOF TALKS

Daniel Brugger ist Co-Founder und Geschäftsführer der Think-Tank-Beratungsgesellschaft #FORTSCHRITT. Er ist Initiator und Gastgeber der HINTERHOF TALKS, Mitgründer von Geschäftsmodell-Werkstatt.com und dem Innovations-Hub WELTENRAUM in Iserlohn, darüber hinaus sitzt er in diversen Start-up Beiräten und ist ehrenamtlicher Vorstandsvorsitzender der Wirtschaftsjunioren Berlin e.V.

Er ist Experte für Geschäftsmodelle, Digitale Transformation und Unternehmensstrategien. In diesem Zusammenhang liegen seine Schwerpunkte auf der erfolgreichen Implementierung von Geschäftsmodellen und der Digitalisierung von Prozessen sowie der digitalen Transformation von Organisationen. Daniel Brugger besitzt Studienabschlüsse von der BiTS Iserlohn, der NUS Singapur und der ESCE Paris.

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