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Autor: Sebastian E. Knöchel (Senior Consultant #FORTSCHRITT)
- 12.04.2019 -

Flatrates und Abos (engl. subscriptions) sind in sämtlichen Branchen en vogue. Neben den traditionellen Anwendungen bei Zeitungen und Fitnessstudios erfreuen sich vermehrt digitale Formate, wie Netflix oder Spotify insbesondere bei jüngeren Konsumenten großer Beliebtheit. Flexibilität und ein hoher Grad an Freiheit, die Möglichkeit, das Angebot nach individuellen Wünschen anpassen oder verändern zu können, diese Faktoren bilden die zentralen Vorteile für die Kunden. Dies führt dazu, dass das Abo-Modell auch in bisher eher gemiedenen Branchen, wie bspw. als Lieferdienst für Lebensmittel nach Rezept à la Marley Spoon, seinen Einzug finden.

Seit einigen Monaten hat der Abo-Gedanke auch in der Automobilbranche Fuß gefasst und breitet sich rasant aus. Nachdem in den USA bereits in den letzten Jahren einige Autohersteller und Start-ups solche Modelle angeboten haben, ist der Trend nun auch in Europa angekommen. Verschiedene Hersteller testen Auto-Abos und immer mehr Menschen interessieren sich auch für diese alternativen Angebote zu Kauf und Leasing. Folglich scheinen sich viele Branchen-Experten in der Sache einig zu sein: Abo-Modelle sind die Zukunft. Langfristig will man raus aus der Nische und rein in den Massenmarkt. Doch was verbirgt sich konkret hinter dieser Alternative zum Kauf, Finanzierung oder Leasing eines Fahrzeugs? Basierend auf dem Ansatz des Value Proposition Canvas soll in der Folge das Auto-Abo-Modell genauer unter die Lupe genommen werden. Dabei verstehen wir unter diesem Produkt die möglichst flexibelste Ausführung in puncto Laufzeit, Fahrzeugauswahl, Add-on Serviceleistung, etc. Wir sind uns bewusst, dass diese Form des nachfrageorientierten Mobilitätsangebotes auf dem Markt noch eine eher untergeordnete Rolle spielt, bzw. nicht den gängigen Angeboten entspricht. Gerade deswegen ist es unserem Erachten nach unabdingbar, sämtliche Faktoren und Komponenten des Auto-Abo-Modells zu analysieren.

Auto-Abo anhand des Value Proposition Canvas

Während der Business Model Canvas ein Tool für die Erstellung eines eigenen Businessplans darstellt, liefert der Value Proposition Canvas eine zusätzliche kundenzentrierte Komponente. Unter einer Value Proposition versteht man den Mehrwert und Nutzen, den Kunden durch ein Produkt oder eine Dienstleistung erhalten. Die Value Proposition verbessert das Leben des Kunden oder eliminiert sein Problem. Ergo liegt der Fokus auf der Schöpfung von Wert und Nutzen für den Kunden, wobei zusätzlich die betreffenden Zielgruppen systematisch betrachtet werden und daher zielgerichtet auf deren Probleme und Bedürfnisse eingegangen wird. Der Value Proposition Canvas besteht aus zwei Themengebieten: dem Kundenprofil und dem Werteversprechen.

Kundenprofil des Auto-Abos

Die zentrale Kundenaufgabe

Betrachten wir zuerst das Kundenprofil mit den betreffenden Kundenaufgaben, Schmerzen und Nutzen. Die zentrale Kundenaufgabe beim Abo-Modell bildet der Transit von A zu B. Es ermöglicht zu gleich eine flexible Mobilität, welche durch den dauerhaften Zugriff auf das Vehikel, im Gegensatz zum Carsharing oder -pooling, auch gewährleistet wird. Mobilität muss jedoch auch finanziert werden. Neben der Beschaffung eines Fahrzeugs sind weitere Kostenfaktoren wie Versicherung und Sprit/Treibstoff zu finanzieren. Im Bereich B2B müssen die Kosten zudem bei den endsprechenden Kostenstellen abgerechnet werden. Sowohl B2B- als auch B2C-Kunden benötigen ein passendes Fahrzeug zur Lebenssituation, welches einen Teil der Persönlichkeit oder Firmenphilosophie widerspiegelt.

Painpoints der Kunden

Ein wesentlicher Schmerz für den Kunden ist es, wenn er sein Fahrzeug nicht nutzen kann, da es in der Werkstatt steht. Nicht jeder Normalverbraucher bekommt kostenfrei ein Ersatzfahrzeug gestellt. Viele Abo-Modelle in Deutschland verfügen zudem über ein enormes Ausmaß an Verwaltung und Administration, welche sich unter anderem in den unflexiblen Vertragslaufzeiten sowie Startinvestitionen bei Kauf und Leasing und den Ablösesummen beim Laufzeitende des Leasings widerspiegelt. Man könnte eher von einem „Leasing 2.0“ als von einem Abo-Modell sprechen. Einige dieser Abo-Modelle leiden zudem an mangelnder Flexibilität beim Fahrzeugmodell.

Nutzenmaximierung für die Kunden

Das Auto-Abo-Modell in Reinform, mit jeglicher Form von Flexibilität, bietet den Usern ein hohes Maß an Nutzen. Unter den finanziellen Aspekten findet man neben der Preistransparenz und der damit verbundenen kalkulatorischen Sicherheit durch All-Inclusive-Pakete eine enorme Komplexitätsreduktion. Zusätzlich werden sämtliche administrativen Interaktionen gebündelt. Grundsätzlich kann der Kunde sehr einfach in das Abo-Modell einsteigen und sich ggf. auch schnell wieder davon lösen. Das Produkt verfügt über ein hohes Maß an Flexibilität, nicht nur in puncto Vertragslaufzeit, sondern auch was die Fahrzeuge und deren Ausstattung betrifft. Der B2C-Nutzer kann unter der Woche im beruflichen Alltag auf eine Limousine zugreifen, während er hingegen am Wochenende ein Cabrio für eine Landpartie bevorzugt. Diese Bequemlichkeiten und die Gewissheit zu jeder Zeit aus dem Abo-Modell aussteigen zu können, bieten dem Nutzer eine niedrige Einstiegsbarriere und gewähren zudem eine individuelle Planungssicherheit.

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Abbildung 1: Abo-Modell reflektiert im Value Proposition Canvas - Fokus: Kundenprofil

Werteversprechen des Auto-Abos

Tools und Services beim Abo-Modell

Auf der anderen Seite des Value Proposition Canvas finden wir das Werteversprechen mit den betreffenden Unterpunkten Produkt und Services, Nutzenstifter und Schmerzkiller. Was Tools und Services angeht, sticht vor allem der nicht vorhandene Bruch der Kundenbeziehung als wesentlicher Benefit des Anbieters im Vergleich zum Leasing oder Kauf hervor. Der Nutzer erfährt sozusagen ein kontinuierliches Update ohne eine aktive Auswahl für einen neuen Zyklus. Er muss sich um keinen neuen Kauf oder keinen neuen Leasingvertrag kümmern. Der Anbieter wiederum verliert den Kunden nicht nach Vertragsabschluss, wie beim gängigen Fahrzeugkauf oder Ablauf des Leasings, sondern behält ihn im System. Sollte das Fahrzeug ausfallen, wird es im Idealfall sofort Eins-zu-eins ersetzt. Der Fahrzeugbetrieb läuft „all-inclusive“, d.h. neben der Versicherung sowie dem Austausch oder der Reparatur des Fahrzeugs sind eine Tankkarte oder auch weitere Add-ons, wie bspw. ein Navigationsgerät, im Abo-Modell integriert. Die einfache Abrechnung rundet das Produkt ab.

Nutzenstiften durch Abo-Modell

Als Nutzenstifter agiert insbesondere die Umsetzung des kompletten Geschäftsvorgangs auf digitaler Ebene. Dies erleichtert nicht nur die Buchung für den Nutzer, sondern auch die Administration des Abo-Modells für beide Parteien. So können sämtliche Vertragsangelegenheiten vereinfacht und Verzögerungen ausgeschlossen werden. Das bereits skizzierte „all inclusive/Rundum-Sorglos-Paket“ führt für beide Seiten ebenso zu einer Komplexitätsreduzierung, wie die kumulierte Rechnung einmalig im Monat, da viele Interaktionen und Schnittstellen eliminiert werden. Der Kunde braucht sich um nichts zu kümmern und der Anbieter muss keine individuellen Rechnungen erstellen. Darüber hinaus ermöglichen kurze Kündigungsfristen ein hohes Maß an Flexibilität und geben dem Kunden die Möglichkeit, das Produkt ganz nach seinem zeitlichen Bedarf zu buchen. Ähnlich verhält es sich mit der Diversität der Flotte. Die Option, unterschiedliche Fahrzeuge nach Wunsch und Bedarf auszutauschen, ermöglicht dem User eine situationsbedingte Fahrzeugnutzung. Abschließend ist noch der finanzielle Vorteil zu erwähnen. Das Abo-Modell kommt für den Nutzer, im Vergleich zum Kauf oder Leasing eines eigenen Fahrzeugs, ohne eine hohe Kapitalbindung aus. Mit verschiedenen Preiskategorien, welche bspw. unterschiedliche Ausstattungen oder Fahrzeugklassen beinhalten, können zudem unterschiedliche Zielgruppen besser adressiert werden.

Abo-Modell als Painkiller

Die Schmerzkiller sind insbesondere bei der Abrechnung zu finden. Zum einen verfügt das Abo-Modell über einen kalkulierbaren Preis und erleichtert somit die finanzielle Planung, zum anderen gibt es eine Rechnung für alles, wodurch die Buchhaltung enorm vereinfacht wird. Im Gegensatz zur gängigen Fahrzeugbeschaffung entfallen verschiedene Prozesse, wie Fahrzeuganmeldung oder der Abschluss der betreffenden Kfz-Versicherung. Durch einen fixen all-inclusive Preis pro Monat wird zudem die Kostentransparenz gefördert und der Kunde kann die genauen Kosten für eine einmalige Nutzung, sprich den Preis pro Fahrt, berechnen. Ein weiterer Vorteil im Abo-Modell liegt im schnellen „Geräteaustausch“. Bei einem Fahrzeugausfall wird das beschädigte Fahrzeug schnell durch ein anderes ersetzt. Zudem können neue Produkte in den Kreislauf des betreffenden Fahrzeugpools integriert werden. Der zentrale Vorteil des Abo-Modells, im Vergleich zum Leasing, ist die Eliminierung der zyklischen Dreijahresverträge. Wie bereits skizziert, ist der Kunde mit dem Abo in der Lage, seine Nutzung ohne lange Vertragslaufzeit optimal an seinen Bedarf anzupassen.

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Abbildung 2: Abo-Modell reflektiert im Value Proposition Canvas - Fokus: Werteversprechen

#FORTSCHRITT-Fazit

Auf dem Papier scheint das Abo-Modell im Vergleich zum Kauf oder Leasing eines Fahrzeugs einige Vorteile, insbesondere in der Beschaffung, der Flexibilität und dem administrativen Bereich zu bieten. Diese Version der Sharing Economy entspricht zudem dem Zeitgeist der Generation Y, für die Spontanität sowie eine nutzerorientierte Serviceleistung von hoher Bedeutung sind. Sie legt zudem weniger Wert auf Besitz und möchte sich nicht mehr langfristig binden. Ob ein solches nachfrageorientiertes Mobilitätsangebot mehr als nur ein Nischenprodukt darstellt, wird die Zukunft zeigen. Um weitere Einblicke und Erfahrungen aus der Praxis zu sammeln, führen wir von #FORTSCHRITT Interviews mit Experten bzw. betroffenen Akteuren von…

  • OEMs PKW (inklusive Serviceeinheiten/-abteilung)
  • OEMs Nutzfahrzeuge (inklusive Serviceeinheiten/-abteilung)
  • Autovermietungen
  • Start-ups
  • Branchenexperten

durch und möchten daraus Erkenntnisse bezüglich folgender (Leit-)Fragen, Dimensionen und Faktoren gewinnen:

  • Welche Chancen/Risiken/Stärken/Schwächen werden grundsätzlich im Abo-Modell im Bereich Automotive gesehen?
  • Was sind die wichtigsten Add-on/Serviceleistungen für ein erfolgreiches Abo-Modell in den Bereichen B2B und B2C?
  • Bedarfsabschätzung für Abo-Modelle
  • Auswirkungen des Abo-Modells auf bisherige Geschäftsmodelle sowie Markt- und Anbieterstruktur

Die Antworten auf diese Fragen bilden die Grundlage für die erste wissenschaftliche Studie zum Thema Abo-Modelle und wird mit den Ergebnissen auf dem 11. Wissenschaftsforum Mobilität an der Universität Duisburg-Essen vorgestellt. Bei Interesse stellen wir Ihnen die Studie gerne bei uns, oder wenn gewünscht auch persönlich bei Ihnen, gern vor.

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Abbildung 3: Abo-Modell reflektiert im Value Proposition Canvas

Autor

Sebastian E. Knöchel

Senior Consultant der Think-Tank-Beratungsgesellschaft #FORTSCHRITT.

Sebastian E. Knöchel ist Senior Consultant der Think-Tank-Beratungsgesellschaft #FORTSCHRITT. Er ist Experte für innovative nachhaltige Mobilitäts- und Logistikkonzepte. In diesem Zusammenhang liegen seine Schwerpunkte auf der erfolgreichen Skalierung von Geschäftsmodellen, Go2Market Strategien sowie Markt- und Wettbewerbsanalysen in den Branchen Transportation & Logistics , Mobility, Automotive und Public. Neben seiner externen Promotion an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg ist er zudem als Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg auf verschiedenen Feldern der Betriebswirtschaftslehre tätig.

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