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Autorin: Stephanie Bräuer (Logistikleitung, Carl Kühne KG (GmbH & Co.)
- 06.09.2021 -

Blockchain ist aktuell DIE Innovation in der Computerwissenschaft und noch immer eine relativ junge Technologie. Sie ist am besten bekannt für Bitcoin, die erste sogenannte Kryptowährung. In den vergangenen Monaten hatte sich Elon Musk im Namen von Tesla wiederholt zu Bitcoin geäußert. Jedes Mal hielt die Welt die Luft an und beobachtete, wie stark der Markt auf seine Aussagen reagierte.

Bitcoin steht noch immer ungefragt nicht nur im Rampenlicht der Kryptowährungen, sondern auch der gesamten Blockchain-Technologie. Dabei existiert Blockchain heute in vielen verschiedenen Typen und Eigenschaften, mit welchen auch Ziele aus anderen Bereichen, wie zum Beispiel des komplexen und dadurch sehr anspruchsvollen Netzwerks der Lebensmittelindustrie, erreicht werden können. Transparenz von Daten, wie in der Umgebung von food supply chains, hilft bei der effizienten und effektiven Verwaltung von Lieferkettenprozessen und ermöglicht den Konsumenten die geforderte Einsicht in ihre Produkte. Jedoch müssen food supply chains als private Unternehmen oft ihren Wettbewerbsvorteil schützen, indem sie Daten vertraulich halten. Dieser strategische Fit zwischen Transparenz und Vertraulichkeit von Informationen kann durch die aktive Gestaltung des Gleichgewichts zwischen Merkmalen der Blockchain-Technologie erreicht werden.

Nach der globalen Finanzkrise 2008, unter anderem ausgelöst durch spekulativ aufgeblähten Immobiliengeschäfte, standen Banken als zentrale Autoritäten in der Kritik. Im selben Jahr wurde das Konzept eines Rechner-zu-Rechner elektronischen Geldsystems veröffentlicht, der Beginn einer neuen Technologierevolution. Die Grundidee ist simpel: Das bröckelnde Vertrauen in Finanzinstitute soll durch ein alternatives, vertrauenswürdiges System, das von den Teilnehmern selbst verwaltet wird und ohne Autorität oder Vermittler arbeitet, ersetzt werden. Gesagt, getan. 2009 wurde die Bitcoin-Software als open source eingeführt. Eine Blockchain kann als ein sehr spezieller Typ von Datenbank definiert werden, in welcher das Lagern von Informationen mit Unveränderlichkeit, Dauerhaftigkeit, geteiltem Besitz sowie Zugang der Daten in Verbindung steht. Benannt nach seiner Struktur kann Blockchain (= Blockkette) als eine unveränderliche Kette von Datenblöcken gesehen werden. Jeder Block enthält Transaktionsdaten und einen Zeitstempel und ist kryptografisch mit anderen Blöcken verbunden. Das Auftreten neuer Transaktionen führt zum Hinzufügen neuer Blöcke und somit wächst die Kette. Da eine Blockchain über verschiedene Server gespeichert wird und ohne einen vertrauenswürdigen Dritten arbeitet, wird sie auch oft als „geteilt“ oder Rechner-zu-Rechner-Netzwerk bezeichnet. Obwohl die Blockchain-Daten auf mehrere Server im Netzwerk verteilt sind, hängt der Grad der Transparenz und Vertraulichkeit der Daten von der Offenheit der Blockchain und den Berechtigungen ab, die ihren Nutzern erteilt werden. Daher unterscheidet sie sich je nach Art der Blockchain. Im Allgemeinen wird zwischen öffentlicher und privater Blockchain unterschieden.

Öffentliche Blockchain

Eine öffentliche Blockchain wird als offen bezeichnet, da für Zugriff und Teilnahme keine Genehmigung erforderlich ist. Denn die Blockchain gehört nicht einer oder mehreren Entitäten, sondern dem Netzwerk selbst. Die einzige Zugangsvoraussetzung ist eine Internetverbindung. Jeder kann auf alle Daten der Blockchain zugreifen (Lesen) und Daten hinzufügen, indem er Transaktionen durchführt oder genehmigt (Schreiben). Da das Netzwerk von einer großen Anzahl unbekannter Teilnehmer verwendet wird, wird Vertrauen durch kryptographische Verifizierung mittels eines Konsensmechanismus aufgebaut, der Prozess zur Bestimmung, welche Blöcke der Kette hinzugefügt werden, um die Peer-to-Peer-Transaktionen zu genehmigen. Teilnehmer werden durch Anreize angetrieben, die aus dem Netzwerk als Belohnungen abgeleitet und in der realen Welt gegen monetäre Werte eingetauscht werden können.

Private Blockchain

Eine private Blockchain wird als geschlossen bezeichnet, da für Zugriff und Teilnahme eine Genehmigung erforderlich ist. Denn die Blockchain gehört einer Entität. Teilnehmer können Mitarbeiter und Kunden wie auch Unternehmen oder Abteilungen sein. Nur akzeptierte Teilnehmer können dem Netzwerk beitreten und ihr Zugriff auf Daten (Lesen) und Hinzufügen zu einer Blockchain durch Durchführen oder Genehmigen von Transaktionen (Schreiben) hängt von ihrer Berechtigungsstufe ab. Da die Identität aller Benutzer authentifiziert ist und daher bekannt, wird Vertrauen auf natürliche Weise gewonnen und ist die Grundlage des Konsenses. Geschäfte werden durch den Abschluss von Verträgen und Vereinbarungen, die in der realen Welt rechtlich durchsetzbar sind, durchgeführt ohne dass künstlich geschaffene Anreize aus dem Netzwerk erforderlich sind. Wenn Berechtigungen eingeschränkt sind, können private Blockchains ein höheres Maß an Privatsphäre oder Datenvertraulichkeit bieten. Basierend auf den genannten Merkmalen von öffentlichen und privaten Blockchains können zwei weitere Mischarten unterschieden werden.

Hybride Blockchain

Bei einer hybriden Blockchain wird Eigentum und Kontrolle von einer einzigen Entität gehalten und das Netzwerk ist daher zentralisiert. Diese Blockchain-Version bietet Privatsphäre, ist aber immer noch mit einem öffentlichen Netzwerk verbunden und bietet die bestehende Transparenz. Die Datensicht kann vollständig oder teilweise sein, je nachdem, was der Eigentümer entscheidet.

Konsortium-Blockchain

Bei einer Konsortium-Blockchain wird das Eigentum auf mehrere autorisierten und vertrauenswürdigen Entitäten verteilt, und daher sind die Benutzer weniger anonym als in einem öffentlichen Netzwerk. Die Blockchain wird von mehr als einer Organisation verwaltet und gilt als dezentral. Die Datensicht kann auf zugelassene Benutzer beschränkt oder sowohl ganz als auch teilweise der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, die Transparenz ist daher begrenzt. Tabelle 1 fasst die Unterschiede der Blockchain-Typen zusammen.

Hierzu sind vor allem die Originalartikel von Nakamoto, dem Namen hinter Bitcoin, (https://bitcoin.org/bitcoin.pdf) und Buterin, dem Namen hinter Etherum, (https://blog.ethereum.org/2015/08/07/on-public-and-private-blockchains/) lesenswert.

 

Öffentlich

Privat

Hybrid

Konsortium

Eigentum

Niemand / alle

Eine einzelne Einheit, ein Unternehmen oder eine Organisation in Privatbesitz

Eine einzelne Einheit, Unternehmen oder Organisation in Privatbesitz

Mehrere ausgewählte Entitäten

Teilnehmer

Jeder aus öffentlichem Internet

Vom Eigentümer ausgewählt

Vom Eigentümer ausgewählt

Von den Eigentümern ausgewählt

Lesen

Vollständige Ansicht durch jeden

Teilansicht für genehmigte Benutzer, gewährt vom Eigentümer

Vollständige oder teilweise Ansicht sowohl für öffentliche als auch für eingeschränkte Benutzer, die vom Eigentümer gewährt werden

Vollständige oder teilweise Ansicht für öffentliche und eingeschränkte Benutzer, die vom Eigentümer gewährt werden

Schreiben

Volle Rechte für jeden

Verschiedene Berechtigungsstufen, gewährt vom Eigentümer

Vollständige oder teilweise Rechte für öffentliche und eingeschränkte Benutzer, die vom Eigentümer gewährt werden

Vollständige oder teilweise Rechte für öffentliche und eingeschränkte Benutzer, die vom Eigentümer gewährt werden

Mit diesem Gestaltungsspielraum hat die Blockchain-Technologie das Potenzial, auch die Effizienz und Effektivität der globalen Supply Chains positiv zu beeinflussen. Food Supply Chains, als Spezialgebiet, müssen die Abläufe von der Beschaffung, Produktion, Versand bis zum Verbrauch effizient und effektiv gestalten. Mit zunehmender menschlicher Bevölkerung, Lebensmittelvielfalt und involvierten Akteuren ist es eine Herausforderung, die benötigten Lebensmittel zur richtigen Zeit am richtigen Ort in der richtigen Qualität bereitzustellen. Technologische, soziale, wirtschaftliche, industrielle, rechtliche, geschäftliche und andere Faktoren haben den Lebensmittelsektor beeinflusst und bestimmen die Verfügbarkeit von Lebensmitteln und deren Lieferung an den Endverbraucher. Lebensmittellieferketten zeichnen sich durch Verderblichkeit, Regalzeiten, hohe Produktdifferenzierung, sehr variable Verbrauchernachfrage, saisonales Verhalten, Lebensmittelqualität und -sicherheit, Umweltbelange, spezifische Transport- und Lagerbedingungen aus. Unter Berücksichtigung all dieser Faktoren sind Lebensmittelversorgungsketten im Vergleich zu anderen Lieferketten noch komplexer und haben einen noch größeren Bedarf an einer angemessenen Zusammenarbeit zwischen den Stakeholdern. Für food supply chains besteht eine (in vielen Ländern gesetzliche) Anforderung, die Zusammensetzung und die Position jeder Einheit entlang der Lieferkette genau zu überwachen. Bisher verwendete Technologien können nur die Reise eines Produkts durch die Stationen einer Lieferkette verfolgen, jedoch nicht darüber informieren, was an jeder dieser Stationen passiert. Es besteht keine Transparenz über die Dynamik von Lieferprozessen und Risiken zu verwendeten Materialien, durchgeführten Prozessen und beteiligten Personen. Ähnliche Informationsnachfragen, aber aus einer anderen Perspektive, kommen von Verbrauchern. Seit das Internet einen besseren Informationsaustausch für Konsumenten ermöglicht, verlangen diese zunehmend Informationen über Produkte, wie Herkunft, Menschenrechte, Sicherheit, Nachhaltigkeit oder religiöse Maßnahmen.

 

Transparenz

Vertraulichkeit

Ermöglicht durch eine öffentliche Blockchain

Hoch

Niedrig

Ermöglicht durch eine private Blockchain

Niedrig

Hoch

Gefordert von den Parteien der food supply chain

Hoch

Hoch

Von den Verbrauchern in der food supply chain Umgebung

Hoch

Niedrig

Öffentliche Blockchains bieten potenziell die Sichtbarkeit in Lieferketten, die Verbraucher zunehmend fordern, aber nicht die erforderliche Vertraulichkeit, die Unternehmen gewährleisten wissen wollen. Obwohl dies nach einer klassischen Trade-off-Situation aussieht, muss dies nicht so sein. Blockchains sind sehr anwendungsfallspezifische Technologien. Um die richtige Balance zwischen Transparenz und Vertraulichkeit zu erreichen, kann die Lösung darin bestehen, sowohl die Vorteile des privaten als auch des öffentlichen Typs zu nutzen, um die Anwendungsanforderungen zu erfüllen. Dabei können die Daten, je nach Verwendungszweck, entweder der Blockchain hinzugefügt oder auch lokal gespeichert werden. Die Antwort ist also nicht, ob eine private oder öffentliche Blockchain für food supply chain Umgebungen angewendet werden soll, sondern vielmehr, welcher Typ und seine zugehörigen Merkmale kombiniert werden können, um die Anforderungen der Stakeholder zu erfüllen. In Anbetracht der Nachfrage der Verbraucher und der supply chain zur Rückverfolgbarkeit der Produkte, ist es notwendig, dass alle Lieferkettenparteien Informationen in die Blockchain eingeben und darauf zugreifen. Die Transparenz kann verbessert werden, indem Informationen genauer, zeitnaher und vollständiger zwischen Geschäftspartnern in einer Lieferkette erfasst und übertragen werden. Daher müssen Management und Eigentum bei allen liegen. Dies würde bereits alle Blockchain-Typen ausschließen, die von einer einzigen Entität verwaltet werden, d. h. der private und der hybride Typ. Unter Berücksichtigung aller genannten Aspekte wäre eine Konsortial-Blockchain die beste Wahl für die food supply chain Umgebung.

Fazit

Effiziente und effektive Lieferketten erfordern, dass Manager in der Lage sind, die enorme Menge an Daten zu sammeln und zu verarbeiten, um Entscheidungen zu treffen. Wo die Verfügbarkeit von Informationen nicht ausreicht, kann die Blockchain-Technologie für die Lösung dieses Problems von großer Bedeutung sein. Auch die steigende Informationsnachfrage von Konsumenten wird dadurch bedient. Daher ist es notwendig, die Blockchain-Technologie in Food Supply Chains so zu gestalten, dass Transparenz und Vertraulichkeit der Daten in Einklang gebracht werden. Hier sollten Manager die Menge der vorhandenen Daten und die zu treffenden Entscheidungen, welche dieser Daten in die Blockchain eingegeben und den verschiedenen Stakeholdern zugänglich gemacht werden nicht unterschätzen. Eine gut abgestimmte Governance-Strategie zwischen den Lieferkettenparteien ist unerlässlich.

Autor

Stephanie Bräuer

Logistikleitung, Carl Kühne KG (GmbH & Co.)

Stephanie Bräuer schloss 2016 ihr Masterstudium in Supply Chain Management an der Reichsuniversität Groningen, Niederlande, ab. Sie ist seit 2016 bei der Carl Kühne KG (GmbH & Co.) und dort als Logistikleitung am Produktionsstandort in Berlin sowie Mitglied des Werkleitungsteams. Stephanie Bräuer ist immer auf der Suche nach neuen Konzepten im Bereich des Supply Chain Managements. Daher absolvierte sie im Sommer 2021 erfolgreich einen Kurs zum Thema Blockchain an der Universität von Ljubljana.

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