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Autor: Andreas Kelzenberg (Consultant #FORTSCHRITT)
- 01.03.2022 -

Globalisierung bedeutet mehr als nur Handel. Sie ist Lebenseinstellung, Geber und Nehmer, Fluch und Segen zugleich. Unendliches Wachstum ist unmöglich – unsere Erde mit ihren endlichen Ressourcen allein setzt uns Grenzen. Aber gab es zur Globalisierung, wie wir sie heute kennen, Alternativen? Welche Entscheidungen haben uns hierhergebracht und wie können sich Unternehmer auf die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen einstellen?

Rückblick erster Blog

Der erste zu diesem Thema veröffentlichte Blog (Teil I) befasste sich mit dem Ursprung und der Entwicklung der Globalisierung von der Antike bis ins 21. Jahrhundert. Zudem wurden Vor- und Nachteile herausgestellt und auf die Auswirkungen auf Mensch und Natur hingewiesen. Weitere Themen und Ergebnisse waren:

  • Direktinvestitionen und wie sich diese auf das Unternehmertum auswirken,
  • verstärkte internationale Beziehungen führen zu weniger großen kriegerischen Auseinandersetzungen, jedoch stiegen weltweit in den vergangenen Jahrzehnten die regionalen Konflikte,
  • wie die Produktion von Agrarprodukten in Ländern mit günstigen klimatischen Bedingungen zum einen die Wirtschaft vor Ort kurz- bis mittelfristig stärkt auf der anderen Seite aber auf mittel- bis langfristige Sicht zu Ressourcenmangel führt,
  • dass sich Importländer sehr stark von den Lieferungen und ihren Produzenten abhängig machen.

Lesen Sie dazu gerne auch den ersten Teil des Blogbeitrags.

Alternativen zur Globalisierung

Wir nehmen vieles als gegeben hin. Aber genauso wenig, wie unsere politischen und sozialen Systeme auf Ewig bestand haben werden, oder es nur zu diesen heute existenten Systemen kommen konnte, so stellt sich auch beim Thema der Globalisierung die Frage: Hätte es anders kommen können? Welche anderen Wege hätten eingeschlagen werden können? Arbeiten wir die beiden Fragen der Reihe nach ab:

Die (Nicht-)Entdeckung Amerikas als „theoretisches Gedankenspiel“

Eine nicht erfolgreiche Unternehmung von Christopher Columbus im Jahre 1492 zur Erkundung eines neuen westlichen Seewegs nach Indien, die zufällig die Entdeckung des amerikanischen Kontinents mit sich brachte, hätte den Lauf der Geschichte wahrlich verändert. Das Kap der Guten Hoffnung am südlichsten Zipfel Afrikas wäre noch lange Zeit die einzig gangbare Seeroute von Europa nach Asien und umgekehrt geblieben, denn der Suezkanal wurde erst 1869 fertiggestellt und eine Nordroute ist nach wie vor aufgrund des Eispanzers unmöglich. Der Entdeckergeist Columbus wäre nie bekannt geworden und viele nach ihm wären unter Umständen nicht in See gestochen, was auch den Kontinent Australien sowie viele weitere abgelegene Inseln noch viele hundert Jahre hätte unentdeckt lassen können. In der Wissenschaft werden alternative Wege in eine andere Wirklichkeit auch als „Butterfly Effect“ bezeichnet. Damit wird besagt, dass bei jedem Ereignis und bei jeder getroffenen Entscheidung auch ein anderer Weg in die Zukunft hätte eingeschlagen werden können.

Demzufolge haben jede Entscheidung und jedes Ereignis der Vergangenheit dazu beigetragen, dass wir in unserer heutigen Umwelt mit all ihren Vor- und Nachteilen leben. Genauso beeinflussen gegenwärtige und zukünftige Entscheidungen das globale Miteinander von Morgen. Entsprechend schwierig ist es, die Zukunft vorherzusehen – ein bekanntlich schwieriges Unterfangen.

Da Christopher Columbus und die Entdeckung Amerikas nur ein Beispiel von unzähligen der Menschheitsgeschichte ist, interessiert es, wie andere historische Ereignisse insbesondere den Weg zur heutigen Globalisierung hätten verändern können.

Welche anderen Wege hätten eingeschlagen werden können?

Schon die Entstehung menschlicher Kulturen, in ihren unterschiedlichsten Ausprägungen, zeigt auf, wie sehr sich die Wege einer einzigen Spezies doch unterscheiden können. Einflüsse der hiesigen Umwelt, seien sie ökologischen, ökonomischen oder sozialen Ursprungs, haben uns seit je her geprägt.

Nach unserem Ursprung in Ostafrika und der anschließenden Ausbreitung bis in die entlegensten Regionen der Erde, entwickelten sich die unterschiedlichsten Kulturräume und Sprachen. Doch nach dieser mehrere zehntausend Jahre anhaltenden kulturellen Zerklüftung des Homo Sapiens, ist der Trend seit einigen tausend Jahren umgekehrt: Die Vielfalt an Sprachen und Kulturen nimmt stetig ab.1 Indigene Völker werden auch heute noch durch die „zivilisierte“ Welt assimiliert. Sie unterlaufen einem Kulturwandel.

Parallelen können diesbezüglich auch auf die ökonomischen Kulturen gezogen werden. Haben vor tausenden von Jahren noch Regionen und Stämme mit ihnen besonders vorkommenden Gütern Handel getrieben oder diese als Währung genutzt, so ist der Mensch als Ganzes heutzutage mehr oder minder abhängig vom US-Dollar und seiner Entwicklung. Auch das System des Kapitalismus ist in unterschiedlichsten Ausprägungen von Amerika, über Europa bis nach Russland und selbst nach China gedrungen. Märkte, von Südostasien, dem Sahel bis nach Nordamerika, folgen der Doktrin des freien Handels und des Kapitalismus, so wie sie Adam Smith bereits theoretisch begründete.

Es gibt immer wieder leichte Rückfälle:

  • China versucht eine Art Staatskapitalismus2 zu begründen, bei dem der Markt nur indirekt frei ist und dem Willen der Partei ergeben ist. Mit ausländischen Investoren wird geargwöhnt, während man versucht, die eigenen Investoren und Unternehmen mit aller Kraft in die Märkte der Welt zu drängen.
  • Staaten und Staatsgemeinschaften verhängen vermehrt Sanktionen gegeneinander, weil sie mit der Politik des jeweils anderen nicht einverstanden sind und sich in ihrer Position bedroht fühlen.

Dies haben wir in kleinerem Ausmaß im Zollstreit zwischen den USA und Europa, aber insbesondere auch zwischen den USA und China erlebt: Es wurden Strafzölle zum Beispiel auf die Einfuhr ausländischen Aluminiums erhoben, um die nationale Aluminiumherstellung und -vertreibung zu fördern. Ergebnis war eine Zuspitzung der wirtschaftlichen Konfrontationen und eine allgemeine Verteuerung von Gütern und eine Erschwerung des Exports. Wäre dies im Laufe der Geschichte immer wieder in einem solchen Ausmaß geschehen, wäre unter solchen Bedingungen eine Globalisierung im heutigen Maßstab nicht entstanden.

Merkantilismus

Ein Vorreiter des Kapitalismus ist unumstritten auch der Merkantilismus. Diese marktwirtschaftliche Theorie wurde von europäischen Staaten während des 16. Jahrhunderts etabliert und bis ins 19. Jahrhundert angewandt. Sie besagt, dass es Ziel eines Landes bzw. einer Regierung sein muss, nur ein absolut notwendiges Minimum an Gütern zu importieren, auf der anderen Seite jedoch möglichst viel zu exportieren. Der dadurch entstehende Exportüberschuss in der Handelsbilanz führt zu Reichtum und infolgedessen zu politischem und wirtschaftlichem Einfluss.

Leider ist die Rechnung nicht ganz zu Ende gedacht worden: Ein Land verfügt insbesondere nicht auf sich allein gestellt über alle benötigten Ressourcen und vor allem nicht in unendlichem Ausmaß. Über einen kurzfristigen Zeitraum kann ein solches System funktionieren, jedoch ergeben sich bereits nach kürzester Zeit folgende Probleme:

  • Andere Nationen werden sich bedroht fühlen, da sie Kaufen aber nicht Verkaufen sollen.
  • Bei einer Handelsblockade, also dem de facto Stopp von Im- und Export, würde das System in kürzester Zeit zusammenbrechen.
  • Die bereits angesprochenen Ressourcenengpässe aufgrund der Konzentration auf eigene Bodenschätze und Arbeitskräfte.

Vorteile wären:

  • Stärkung der heimischen Produktionskraft.
  • Geringe bis gar keine Abhängigkeiten von Importen.
  • Keine Externalisierung von Kosten ins Ausland (gut für die ganzheitliche Betrachtung und das Gemeinwohl, schlecht jedoch für Unternehmen), abgesehen von der Entsorgung des Produktes (Endphase des Product-Life-Cycle).

Eine Nähe des merkantilistischen Wirtschaftssystems zum Protektionismus ist unbestreitbar und beide haben, wie der obigen Aufzählung zu entnehmen, ähnliche Auswirkungen auf die Nation, welche dieses System anwendet. Der Merkantilismus fiel nicht ohne Grund in die Kernzeit des europäischen Kolonialismus der Neuzeit: Kolonien konnten ohne hohe Kosten ihrer Bodenschätze beraubt und nach Europa verschifft werden. Importkosten hielten sich dadurch in Grenzen und die durch die Ressourcen erstellten Produkte, aber auch Infrastruktur, kamen dem Land zugute, in welchem sie produziert wurden.

Globale Abhängigkeiten

Global Risks Horizon 2 5 years

Abb. 1: Globaler Risikohorizont; Quelle: World Economic Forum (2022), The Global Risks Report, 17th Edition.

Die obige Grafik aus dem vor kurzem veröffentlichten „WEF - Global Risk Report 2022“ zeigt auf, dass geoökonomische Konfrontationen in den kommenden zwei bis fünf Jahren eine nicht zu unterschätzende Gefahr für die Weltengemeinschaft darstellen. Gerade der bereits seit 2014 anschwellende Konflikt zwischen Russland und der Ukraine zeigt deutlich auf, welche Auswirkungen geografisch-politische Krisen auch auf geoökonomische Faktoren haben können. Ein weiteres Beispiel ist der Konflikt zwischen der Volksrepublik China und der Republik China (Taiwan), welcher immer wieder zu Spannungen - nicht nur auf militärischer Ebene - führt, sondern insbesondere auch auf wirtschaftlicher.

Bezogen auf das erste Beispiel, dem Ukraine-Konflikt, zeigt die noch in Betrieb zu nehmende Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 auf, welche weitreichenden Konsequenzen und Komplexitäten bezogen auf Politik und Wirtschaft eine derartige internationale Zusammenarbeit mit sich bringen kann. Die russische Regierung nutzt die Pipeline, um zu einem die Abhängigkeit Europas – und insbesondere Deutschlands – von seinen Bodenschätzen weiter auszubauen, auf der anderen Seite ist Russland auf die dadurch generierten Devisen angewiesen, um sein Staatswesen in Betrieb halten zu können.

  • Insbesondere Deutschland ist von den Erdgaslieferungen abhängig, um seinen Ausstieg aus der Kernkraft und im weiteren Verlauf auch aus der Kohlekraft kompensieren zu können. Der Energieträger Erdgas dient als zweifelhafte Übergangslösung hin zur einer kohlenstoffarmen Energieversorgung.
  • Russland ist auf die Devisen unter anderem aus dem Erdgashandel (ca. 6,5% des Exportvolumens 2019, ca. 55% des Exports fallen auf Mineralprodukte)3 angewiesen, um seine innenpolitische Stabilität zu gewährleisten.

Moderate und intelligente Zurückführung der Globalisierung

Volkswirtschaften der Welt müssen in der heutigen Zeit abwägen, welche Schritte sie für ihre wirtschaftliche Zukunft bereits heute einleiten. Ist es klug, sich weiter auf ein derart gewaltiges Wachstum, wie wir es jahrelang vor der Corona-Pandemie erlebt haben, einzustellen? Derzeitig werden wieder enorme Wachstumsraten erzielt, aber sind diese tatsächlich nachhaltig? Nachhaltig auch im Sinne von ökologisch? Denn wenn uns die Corona-Pandemie in einem Bereich die Augen geöffnet und einen wahren Hype ausgelöst hat, dann ist es unser Impact auf unseren Planeten Erde und wie wir mit den uns zur Verfügung stehenden Ressourcen umgehen.

Es macht also durchaus Sinn, lange als abwegig abgestempelte Gedankenspiele wieder in den Fokus zu nehmen. Darunter zählen folgende:

  • Konzentration auf regionale Märkte, einschließlich Beschaffung, Produktion und Vertrieb. Als Beispiel sei hier die Halbleiterproduktion in Europa genannt.4
  • Evaluation der tatsächlich dringend notwendigen Ressourcenbeschaffung aus Übersee, inklusive Entwicklung alternativer Produkte und Produktionswege
  • Rückholung der zuvor ausgelagerten Arbeitsplätze aus Ländern, wo zwar die Kostenstruktur vorteilhafter ist, aber sowohl Menschenrechte5 als auch ökologische Standards nicht eingehalten werden

Auswirkungen auf Unternehmen

Die verstärkten Lieferengpässe, regionale, aber auch internationale Konflikte und die Verteuerung von Ressourcen sowie Dienstleistungen im Allgemeinen, stellen ein großes Problem insbesondere für die Unternehmen dar, welche eine ausgedehnte Lieferkette haben. Lieferwege und Produktionsstätten werden insbesondere bedroht durch:

  • Politische und militärische Konflikte, auch innenpolitische, sowie Sanktionen
  • Umweltkatastrophen jedweder Art
  • Fehler einzelner Personen (z.B. bei Havarien von Containerschiffen)
  • der Aufkauf knapper Ressourcen durch einzelne Globalplayer und die dadurch erzeugte Knappheit und Verteuerung an ebendiesen Ressourcen
  • Zusammenbrüche von Marktwirtschaften, Finanzsysteme oder politischen Systemen

Eine entsprechende Vorsorge gegenüber diesen Gefahren ist in unserer heutigen, so stark miteinander verwobenen globalen Wirtschaft kaum möglich. Nichtsdestotrotz haben insbesondere Ereignisse aus der jüngsten Vergangenheit genau diese oben aufgeführten Risiken wieder in das Bewusstsein der Menschen gebracht.

#FORTSCHRITT-Fazit: Adapt or Die

Unternehmen stehen jetzt vor der großen Herausforderung, ihre über die letzten Jahrzehnte implementierten Methoden bezüglich Lagerhaltung, Bestellwesen, Produktionsketten, etc., fundamental zu überdenken. Dass dies Ressourcen in Form von Zeit, Kraft und Kapital kosten wird, ist unbestreitbar. Die Option, dies nicht zu tun, wird sich in Zukunft in einen klaren Wettbewerbsnachteil verwandeln. Ein zu spätes Reagieren auf die heutigen Ereignisse, eine Verschleppung von notwendigen wirtschaftlichen und strukturellen Reformen, wird jedem Unternehmen teurer kommen als die sofortige Ausarbeitung und anschließende Adaption neuer Ideen im Umgang mit den Herausforderungen der Gegenwart und insbesondere der Zukunft.

Wir von #FORTSCHRITT können mit unseren Geschäftsmodell-Experten bei ebendiesen dringenden Fragen unterstützen. Für einen tieferen fachlichen Austausche wenden Sie sich gerne an uns.

Autor

Andreas Kelzenberg

 

Consultant #FORTSCHRITT

Andreas Kelzenberg ist Consultant bei der Think-Tank-Beratungsgesellschaft #FORTSCHRITT. Er hat umfassende internationale Erfahrungen während seiner langjährigen Dienstzeit bei der Bundeswehr gesammelt. Seine Schwerpunkte liegen im Projektmanagement und der nachhaltigen Organisationsentwicklung.

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