Beschaffung digital?

Ganz klar: Das kann jeder!

Autor: Matthias Achim Teichert (Partner #FORTSCHRITT)
- 31.08.2018 -

Die Szene der professionellen Einkäufer verändert sich! Denn die Zeiten, in denen nur Großkonzerne aus der Automobilindustrie und dem Lebensmitteleinzelhandel eine umfangreiche Beschaffungsorganisation mit strategischem Anspruch hatten, sind vorbei.

Die Möglichkeit, die Kosten im Einkauf zu senken, ist für alle Firmen attraktiv. Durch die Digitalisierung der Beschaffung ist es auch mittleren und kleineren Unternehmen möglich, eine Beschaffungsstrategie zu definieren und den operativen Einkauf zu professionalisieren.

Anderseits werden sich die etablierten Beschaffungsabteilungen der Großkonzerne mit der digitalen Transformation grundlegend verändern und verkleinern, da sich durch die Digitalisierung der Man-Power-Aufwand im operativen Einkauf verringert. Um die Perspektiven für die Beschaffung zu skizzieren, werden die Tendenzen nach SWOT in Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken sortiert. Durch die Betrachtung der Beschaffungstendenzen mit SWOT werden die Entwicklungen der kommenden Jahre ableitbar.

 

Digital Beschaffung SWOT FORTSCHRITT

Abbildung 1: SWOT-Analyse der digitalen Beschaffung

Stärken durch die Digitalisierung für die Beschaffung

  • Die Beschaffungsstrategie wird mit der Nutzung von Big Data, Künstlicher Intelligenz und Predictive Analytics deutlich mehr Möglichkeiten haben als heute. Mit Big Data, KI und PA können zum Beispiel Lieferantenauswahl, Engpässe, Risiken und Voraussagen über Lieferstrukturen verlässlicher vorbestimmt und Maßnahmen getroffen werden. Um diese zu nutzen, müssen die strategischen Beschaffungsabteilungen im Bereich der Business Intelligence und Analyse ausgebaut werden. Für diese Themen werden deutlich mehr Know-How und Kapazitäten vorgehalten werden müssen als für ein Datenbank-Team.Sie können jedoch auch günstig via Cloud, SaaS und Share-Lösungen eingekauft werden.
  • Die Option, Einkaufsprozesse im Rahmen der Digitalisierung umfänglich zu automatisieren, wird es der Beschaffung ermöglichen, bessere Einkaufpreise zu erlangen. In Zukunft werden die Beschaffungen dies nicht handschriftlich in Akten oder in Tabellen in Office-Programmen steuern, sondern in hierfür abgestimmten Beschaffungstools und Softwarelösungen und dies bei geringerem Personalbedarf, sodass eine bessere Kosten-Nutzen-Relation entstehen wird.
  • Die digitalisierte Beschaffung wird eine verbesserte Position innerhalb der jeweiligen Firma erlangen. Die bessere interne Position resultiert aus verbesserten Einkaufspreisen, welche gleichzeitig mit geringerem Personalbedarf erreicht wird. Mit dem deutlichen verbesserten Input-Output-Verhältnis wird es der Beschaffung leichter fallen, die eigene Agenda innerhalb der Firma durchzusetzen.
  • Die Beschaffung wird mit dem Einkauf von Daten und Informationen eine zentrale Stellung mit strategischem Charakter zu Lieferanten und Produkten einnehmen. Die Beziehungspflege zu diesen Datenlieferanten wird bei vielen Firmen zu einer elementar wichtigen Tätigkeit, da die Fixierung auf datenbasierte Geschäftsmodelle stetig steigt.
  • Durch die zunehmende Komplexität der Supply-Chain-Strukturen werden zusätzliche Tätigkeitsfelder für die Beschaffung entstehen, wie z.B. Risiko-Management, Engpass-Management oder Trust-Management. Nur mit einem leistungsfähigen Einkauf und einer klaren Beschaffungsstrategie wird es möglich sein, die Komplexität in den Griff zu bekommen.

Schwächen durch die Digitalisierung für die Beschaffung

  • Die Automatisierung der Prozesse und technischen Möglichkeiten werden den Aufwand für die operative Beschaffung gravierend reduzieren, sodass dort umfangreich Personal frei werden kann. Diese Kollegen müssen konstruktiv mitgenommen werden.
  • Auf Grund unterschiedlichster Geschäfts- und Vertriebsmodelle, Vernetzung der Lieferbeziehungen und Vermischung von Komponenten werden die Einkaufsbeziehungen deutlich komplexer. Durch gegenseitige Interaktion, Bedingungen und Klauseln von Lieferanten und Käufern werden im Einkauf keine simplen eins-zu-eins-Beziehungen mehr bestehen. Auf diese komplexen Einkaufskonstellationen müssen sich die Beschaffungen sowohl personell als auch technisch einstellen. Die komplexen Einkaufskonstellationen werden qualitative statt wie bisher quantitative Personalanpassungen erforderlich machen. Bei den IT-Systemen muss eine Vielzahl an Schnittstellen erstellt werden, um angesichts der hohen Komplexität die erforderliche Benutzerfreundlichkeit gewährleisten zu können.
  • Trotz aller technischen Weiterentwicklungen werden Kontrakte von Menschen geschlossen. Diese Kontrakte müssen deutlich schneller an Marktveränderungen angepasst werden, sodass das Reagieren zur Herausforderung wird. Für die handelnden Personen werden höhere Mobilität, Flexibilität und Agilität für die Umsetzung und eine zeitnahe Reaktion notwendig sein.
  • Die durch die Digitalisierung erzeugte Transparenz im Markt ergibt für die Beschaffung einen hohen internen Erfolgsdruck. Die Firmen werden die Beschaffungen zwingen, zum Bestpreis einzukaufen, damit sie nicht aufgrund hoher Einkaufspreise aus dem Konkurrenzkampf gedrängt werden.

Chancen für die Beschaffung durch die Digitalisierung

  • Durch Online-Marktplätze wird eine höhere preisliche Markttransparenz entstehen, die die meisten Märke von Nachfrage- in Angebotsmärkte wandeln wird. Dies ermöglicht der Beschaffung, allgemein bessere Einkaufspreise zu erzielen. Mit den gewonnenen Savings kann sich die Beschaffung innerhalb der Firma besser positionieren.
  • Die allgemeine Beschleunigung der Produkt-Lebenszyklen und die gestiegenen Time-to-Market-Erwartungen erzeugen einen Hunger nach Innovationen. Hier kann die Beschaffung mit aktivem Innovation-Scouting und -Sourcing eine Schlüsselposition innerhalb von Firmen einnehmen, wenn die benötigten Innovationen bereitgestellt werden. Zum Stillen des Innovationshungers benötigen die Beschaffungsabteilungen jedoch hierfür abgestimmte Prozesse, spezielle Personen mit entsprechendem Fachwissen und passende Technik. Diese sind mit dem regulären Linieneinkauf wenig übereinstimmend und müssen additiv aufgebaut werden.
  • Plattformen für Beschaffungen können durch die Clusterung von Volumen die Verhandlungspositionen der Beschaffungen verbessern. Die Potenziale von Plattformen in der Beschaffung gehen deutlich über die von Einkaufgenossenschaften hinaus, sodass es für KMU- als auch Konzernbeschaffungen interessant sein wird, mit diesen zu kooperieren.

Risiken für die Beschaffung durch die Digitalisierung

  • Der Spagat zwischen der durch die höhere Vernetzung kontinuierlich steigende Komplexität  und der reduzierten Personalkapazität erschwert eine erfolgreiche Transformation. In Zukunft sind deutlich mehr Schnittstellen zu internen als auch externen Stakeholdern relevant, die von weniger Personen als bisher realisiert werden müssen. Dies wird nur durch eine umfangreiche IT-Landschaft aufgefangen werden können.
  • Das Überangebot von Informationen und die Echokammern des Internets können nur durch größere Beschaffungsnetzwerke überwunden werden. Dies ist notwendig, da nur mit optimaler Informationslage ein optimaler Preis beim Einkauf erreicht werden kann. Bei reinem Agieren in der Echokammer ohne Aufarbeitung der immensen Information sowie durch das ungefilterte Konsumieren von Fehlinformationen werden umfangreiche negative Folgen in der Beurteilung erzeugt, was zu nicht optimalen Beschaffungslösungen führt.

Notwendige Agenda für eine digitale Beschaffung

Ganz klassisch! Die Chancen ergreifen und die Risiken managen. Die eigenen Stärken ausspielen und die bestehenden Schwächen ausgleichen. Wir von #FORTSCHRITT motivieren zu einer proaktiv gestalteten Agenda, um mit Neuerungen die eigene Beschaffung weiterzuentwickeln. Don Quijote würde bis heute die Windmühlen bekämpfen, ohne zu erkennen, dass dies wenig sinnstiftend ist. Gleichermaßen ist es überaus müßig, die Schwächen Nonstop auszugleichen und die bestehenden Risiken mit immer weiteren Absicherungen zu stützen. Des Weiteren sind die Umsetzungen zur digitalen Beschaffung von heute keine „First Mover“ mehr, sondern maximal noch „Early Adopter“.

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Achim Teichert
Co-Founder und Geschäftsführer der Think-Tank-Beratungsgesellschaft #FORTSCHRITT.

Matthias Achim Teichert ist Co-Founder und Geschäftsführer der Think-Tank-Beratungsgesellschaft #FORTSCHRITT. Er ist Experte für Company Building und Start-up-Strategien. In diesem Zusammenhang liegen seine Schwerpunkte auf der erfolgreichen Skalierung von Geschäftsmodellen, Go-to-Market-Strategien sowie Marktanalysen. Des Weiteren ist er als Dozent an der WWU Münster für Polit-Ökonomie tätig.

Achim Teichert