Mit Emotionen erfolgreich führen?
Autorin: Vanessa Völlmecke (Consultant #FORTSCHRITT)
- 24.06.2022 -
Digitalisierung, demographischer Wandel, steigende Individualität und nun auch noch die Covid19-Pandemie sorgen dafür, dass die Führungsaufgabe an Komplexität gewinnt. Insbesondere die digitale Zusammenarbeit hat in dem Kontext eine große Bedeutung angenommen. Während ein Teil des Teams im Büro sitzt, der andere Teil im Homeoffice und womöglich ein weiterer Teil im Coworking Place, leidet der Zusammenhalt. Für Führungskräfte eine echte Herausforderung!
In dem Zusammenhang wird immer häufiger die Emotionale Intelligenz (EI) einer Führungskraft als entscheidende Komponente zur Erfüllung der Führungsaufgabe genannt. Doch ist der Emotionale Quotient (EQ) von Führungskräften wirklich ein Erfolgsfaktor?
Was ist die Emotionale Intelligenz?
John D. Mayer und Peter Salovey haben das Konzept der Emotionalen Intelligenz in den 1990er aufgearbeitet. Mit Daniel Goleman und seinem Buch „EQ – Emotionale Intelligenz“ hat die Thematik an Bekanntheit gewonnen.
Es handelt sich bei der Emotionalen Intelligenz um die individuelle Fähigkeit, sowohl die eigenen als auch fremde Emotionen wahrzunehmen, zu verarbeiten, zu interpretieren sowie danach zu handeln. Demnach ist es einer emotional intelligenten Person möglich, sich in den Gegenüber hineinzuversetzen, sich selbst zu motivieren und auch die Kontrolle über die eigenen Gefühle und Impulse zu bewahren. Es kann also gesagt werden, dass die Emotionale Intelligenz zum bewussten und verantwortungsvollen Umgang mit unseren eigenen Gefühlen sowie zur Wahrnehmung und zum Verständnis der Handlungen und Gefühle unseres Gegenübers befähigt. Daher bildet die Emotionale Intelligenz das Fundament für ein soziales Miteinander.
Aber welche Bedeutung hat die Emotionale Intelligenz bei Führungskräften?
„Führung bedeutet nicht Herrschaft, sondern die Kunst, Menschen dazu zu bringen, dass sie für ein gemeinsames Ziel arbeiten“ – Daniel Goleman, 1999
Bei neueren Führungsmethoden wird immer häufiger die persönliche Beziehung zu den Mitarbeitern sowie die Möglichkeiten zur individuellen Entfaltung als erfolgsversprechend skizziert. Dennoch gibt es weiterhin eine Vielzahl an Führungskräften, die der Devise folgen, dass harte Entscheidungen eine emotionale Distanz benötigen und Emotionen und Mitgefühl im Business keine Rolle spielen dürfen.
Abb. 1: Führung muss neu und zeitgemäß gedacht und angewendet werden (Quelle: eigene Darstellung)
Der Blickwinkel aus der Praxis
Im Rahmen meiner eigenen Studie führte ich qualitative Experteninterviews mit Führungskräften aus verschiedenen Branchen und Unternehmensgrößen. Die Führungskräfte wurden zu ihrem Verständnis der Emotionalen Intelligenz sowie dessen Bedeutung im Rahmen der Führungsaufgabe und des Führungserfolgs befragt. Anhand dieser Ergebnisse konnten die folgenden Schlüsselkompetenzen einer emotional intelligenten Führungskraft abgeleitet werden.
Die 5 Bausteine der Emotionalen Intelligenz
- Selbsterkenntnis
- Selbstregulierung
- Motivation
- Empathie
- Soziale Kompetenz
Abb. 2: Die 5 Bausteine der Emotionalen Intelligenz
Schlüsselkompetenzen für Führungskräfte
Selbsterkenntnis
Die Selbsterkenntnis befähigt die Führungskraft dazu, sich zunächst über die eigenen Stärken und Schwächen bewusst zu werden. Durch die stetige Selbstreflexion wird eine kontinuierliche Weiterentwicklung der eigenen Person ermöglicht. Die Gewissheit der eigenen Kompetenzen birgt eine Selbstsicherheit und fördert das Selbstbewusstsein. Dieses Wissen ermöglicht der Führungskraft auch in Krisensituationen, wie der derzeitigen Covid19-Pandemie, nicht die Nerven zu verlieren.
Selbstregulierung und Motivation
Emotionale Impulse zu regulieren und die eigenen Emotionen zu kontrollieren ist wichtig, um nicht unplanmäßig aus der Haut zu fahren und verantwortungsvoll zu handeln. Die Selbstregulierung qualifiziert die Führungskraft dazu, auch nach Rückschlägen das benötigte Durchhaltevermögen aufzubringen, um die geforderte Leistung zu erzielen und lösungsorientierte Wege einzuschlagen sowie für sich als auch für die Mitarbeiter Verantwortung zu übernehmen.
Empathie und soziale Kompetenz
Empathie ermöglicht es, die Gefühle anderer Personen zu erkennen und zu interpretieren.
Der emotionale Zustand der Mitarbeitenden ermöglicht Rückschlüsse auf deren Kompetenzen und Grenzen, anhand dessen die Führungskraft die richtigen Maßnahmen zur Personalentwicklung ableiten kann. Insbesondere in der aktuellen unsicheren Zeit kann eine empathische Führungskraft Hoffnung und Zuversicht vermitteln. Vor allem die richtige Auswahl des Kommunikationsstils und der Methodik können hier einen entscheidenden Unterschied machen.
Achtsamkeit als Führungsmethode
Betrachtet man die Forschung rund um das Thema „Emotionale Intelligenz“ so wird auch häufig der Begriff der Achtsamkeit verwendet. In unserem Beitrag „Achtsamkeit im Unternehmensalltag – Humbug oder Heilsbringer?“ haben wir gezeigt, dass eine achtsame Lebensweise sowohl zu besseren Ergebnissen als auch zu einer gesteigerten Zufriedenheit führt. Insbesondere für Führungskräfte kann sich das achtsame Handeln positiv auf den Führungserfolg auswirken. Somit wird es der Führungskraft ermöglicht, die persönliche Resilienz sowie Kommunikationsfähigkeit zu stärken und schlussendlich in Krisen einen kühlen Kopf zu bewahren, um somit die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Warum macht Emotionale Intelligenz Unternehmen erfolgreicher?
„Die richtigen Mitarbeiter, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort.“
Emotional intelligente Führungskräfte sind in der Lage, ihre Mitarbeiter über die räumlichen Gegebenheiten hinaus ganzheitlich wahrzunehmen und können so ihre Stärken, Schwächen, Motivatoren sowie Grenzen erkennen. Es wird ihnen ermöglicht, gezielt die richtigen Förder- und Entwicklungsmaßnahmen einzuleiten, um somit das volle Potenzial der Mitarbeitenden auszuschöpfen. Die ganzheitliche Wahrnehmung der Mitarbeitenden wirkt sich folglich nicht nur positiv auf das Individuum an sich aus, sondern steigert außerdem die Mitarbeiterzufriedenheit, das Arbeitsklima, führt zu einer Leistungssteigerung und resultiert schlussendlich in einer Erhöhung der Gesamtwirtschaftlichkeit des Unternehmens. Die Kompetenzen der Emotionalen Intelligenz bestärken Führungskräfte außerdem in ihren Fähigkeiten, individuelle sowie personenübergreifende Krisen frühzeitig zu erkennen, proaktiv zu handeln und die notwendigen Schritte einzuleiten. Die starke Kommunikations- und Vermittlungskompetenz emotional intelligenter Führungskräfte schafft, dass auch in Krisenzeiten die Verbindung und das Vertrauen zu den Mitarbeitenden sowie die Funktionalität in hybriden Teams gewahrt wird Schlussfolgernd kann durch emotional intelligente Führung die Fluktuationsrate in Unternehmen gesenkt und das affektive Commitment der Mitarbeiter gestärkt werden.
Konflikt in der Arbeitswelt
Abb. 3: Konflikt in der Arbeitswelt von gestern und der Arbeitswelt von morgen
#FORTSCHRITT-Fazit
Die aktuelle Arbeitswelt ist geprägt durch ihre Schnelllebigkeit sowie den damit einhergehenden Veränderungen. Organisationen sind gefordert, schneller und flexibler auf diese Veränderungen zu reagieren. Um diesen Druck standzuhalten, wird insbesondere der Führung eine besondere Rolle zugeschrieben. Vorrangig die emotional intelligenten Führungskräfte legen die erforderlichen Kompetenzen an den Tag, welche benötigt werden, um den vielfältigen Anforderungen der aktuellen Zeit standzuhalten. Führung ist und bleibt Emotionsarbeit. Lediglich emotional intelligente Führungskräfte werden in der Lage sein, Unternehmen auch zukünftig, grenzenübergreifend zum Erfolg zu führen. Es ist an der Zeit, ein Bewusstsein für die „neue Realität“ zu schaffen, die bestehenden Methoden zu überdenken, einen neuen Gestaltungsrahmen der Führung zu entwickeln und sich dabei an den Bedürfnissen der Generationen und Individuen sowie der Arbeitswelt von morgen zu orientieren.
Zur weiteren Vertiefung des Themas empfehle ich Ihnen, auch bei unserer Studie „Zukunft der Arbeit“ vorbeizuschauen. (COMING SOON)
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