Digital Verstehen

Am Ende dreht sich alles ums Geld

Autor: Matthias Achim Teichert (Partner #FORTSCHRITT)
- 21.06.2018 -

Die Digitalisierung verändert die Wirtschaft, insbesondere die ökonomischen Mechanismen der bisherigen Manufaktur- und Serienproduktion. Die Fixierung der Wirtschaft auf Kostensensibilität und Effizienz bleiben in der digitalen Welt konstant.

Die Digitalisierung verändert vieles in der Wirtschaft. Jedoch eines wird es definitiv nicht ändern, die Fixierung der Wirtschaft auf Geld, Kostensensibilität und dem Streben nach Gewinnen.

Dies kann man in einem marktwirtschaftlichen System als Axiom annehmen. Es ist für viele Mittelständler erstaunlich, wie ein rauschebärtiger Hipster, arbeitend auf einem Sitzsack im Café, am PC daddelnd ein Unicorn erschaffen kann (Unicorns sind Firmen mit einem Wert von über einer Milliarde €.).

Viele der berühmten und hochgepriesenen deutschen Hidden Champions arbeiten unterschiedlich und haben andere Ziele als der Start Up Hipster. Jedoch agieren der Hipster mit seinem Start Up als auch die Hidden Champions im Sauerland, aus Schwaben oder Ostwestfalen-Lippe nach ökonomischen Grundsätzen. Beide sind in einem Punkt geeint, dass sie auf Geld achten und die Kostensensibilität behalten müssen für den Erfolg.

Aus diesem Grund soll in diesem Beitrag über Differenzen der Kostenstrukturen die Digitalisierung erklärt werden. Für die Erläuterung werden die Kostenstrukturen von Manufakturen, Serienproduktion und digitalen Tech-Lösungen einander gegenübergestellt. Die drei Betrachtungen der Kostenstrukturen sind

  1. Die Relation zwischen den Variablen- und den Fixkosten,
  2. Die Relationen zwischen Gesamt- und Grenzkosten und
  3. Die Relationen der Lebenszykluskosten.

All die skizzierten Kostenstrukturen sind bewusst sehr allgemein und schemenhaft gehalten und haben nicht den Anspruch, jeden Einzel- und Spezialfall abzubilden. Über dies Reflektion der Kosten soll die Vorteile und auch die kommende Entwicklung erklärt werden.

Relation der Variablen- und der Fixkosten

Kostenanalyse Digital Verstehen Fix Variabel

Abbildung 1: Relation zwischen variablen und Fixkosten von Produkten aus den Produktionsmodellen Manufaktur, Serie und Digital.

Bei Manufakturen wie z.B. Schreinern, stellt sich die Relation von variablen und Fixkosten wie folgt dar. Die variablen Kosten haben eine relativ starke Steigung und einen niedrigen Anteil an den Grundkosten. Diese Steigung der variablen Kosten resultiert aus dem Punkt, dass zu jedem weiteren erzeugten Produkt fast gleich viel Rohstoffe und Arbeitsleistung benötigt werden. Jedoch sind die Fixkosten geringer, da die Investitionen in Maschinen, Werkzeug, Miete, etc. getätigt sind.

In der Serien-Produktion ist der Fixkostenanteil deutlich höher als in der Manufaktur, durch den höheren Bedarf an Maschinen und Immobilien für die Produktion. Denn nur mit dem notwendigen Equipment kann eine Serienproduktion umgesetzt werden. Auf der anderen Seite ist die Steigung bei den variablen Kosten deutlich geringer, da in der Serienproduktion die Effizienz in der Ausnutzung von Rohstoffen und Arbeitsleistungen höher ist als in der Manufaktur. Aus diesem Grund werden Massengüter seit dem 19 Jh. in Serie produziert und lediglich individuellere Produkte sind mit geringen Stückzahlen bei den Manufakturen verblieben.

Bei digitalen Geschäftsmodellen ist die Steigung bei den variablen Kosten geringer als bei der Serienproduktion und daher ist die anfängliche Effizienz höher und der Verbrauch von Ressourcen geringer als bei der anlogen Serienproduktion. Unabhängig von den absoluten Kosten, sind die Fix-Kosten im Verhältnis zu den variablen-Kosten bei digitalen Geschäftsmodellen relativ hoch. Die Fixkosten müssen als Basis, als Enabler verstanden werden und sind als Abschreibungen auf die initiale Soft- und Hardware zu verstehen. Dies unterscheidet digitale Geschäftsmodelle zur Serien-Produktion, obwohl beide auf die Produktion von massenhaften Stückzahlen ausgerichtet sind.

Relation der Gesamt- und Grenzkosten

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Abbildung 2: Relation zwischen Grenz- und Gesamtkosten von Produkten aus den Produktionsmodellen Manufaktur, Serie und Digital.

Bei der Manufaktur sind die Gesamtkosten dominant geprägt von den variablen Kosten und sind als lineare Funktion zu verstehen. Die Funktion der Gesamtkosten hat eine Steigung von nahezu 1 und beginnt beim Koordinatenursprung. Die Grenzkosten sind als 1. Ableitung der Gesamtkostenfunktion bei der Manufaktur leicht zu ermitteln. In dieser simplifizierten Darstellung sind die Grenzkosten eine waagerechte Linie auf dem Niveau der Steigung der Gesamtkostenkurve. Bei einem kleinteiligen Manufaktur-Betrieb sind nur marginale und in diesem Modell zu vernachlässigende Effekte zur Steigerung der Effizienz zu erzielen.

Die Serie hat durch die Startinvestitionen in Maschinen und Immobilien zu Beginn eine hohe Steigung im Verhältnis der Gesamtkosten zum Output. Jedoch durch Lernfaktoren sowie Effizienzsteigerung mit steigendem Volumen reduziert sich die Steigung der Gesamtkosten und wird nahezu waagerecht für einen Volumenabschnitt. Bei weiterer Erhöhung der Volumina erhöht sich die Steigung der Gesamtkosten erneut. Dies resultiert aus der Überlastung der Maschinen und Strukturen bei den vergrößerten Volumen. Denn in diesen erhöhten Volumen ist durch die Überlastung der Verschleiß höher und somit die Produktion ineffizienter als im fast waagerecht laufenden Optimal-Bereich. Aus diesem Grund stellt sich die vereinfachte Gesamtkosten-Kurve in Form einer X³ Funktion dar. Die Grenzkosten sind als 1. Ableitung dieser Funktion in Form eines „U“ bzw. einer Parabel und einer X² Funktion.

Die geringsten Grenzkosten sind bei der Serie im Bereich des Produktionsoptimums. Bis zu diesen Volumina fallen die Grenzkosten, ab diesem steigen die Grenzkosten erneut an. In der Realität könnte dieser Optimalbereich durch gezielte Maßnahmen verlängert werden, so dass sich eine signifikante Steigung der Grenzkosten herauszögern lässt.

Beim digitalen Modell beginnt die digitale Gesamtkosten-Kurve ähnlich wie die der Serie mit einer starken Steigung. Durch die hohe Steigung zum Start erreichen die Gesamtkoten bereits zu Beginn relativ hohe Volumen im Verhältnis zum Output. Jedoch flacht die Steigung der Gesamtkosten-Kurve ab und entwickelt sich mehr und mehr waagerecht. Die Gesamtkosten-Kurve hat die Form und Verlauf einer Wurzel-Funktion bei Digital. Die Grenzkosten sind bei Digitalunternehmen im Bereich von geringen Volumen sehr hoch und verringern sich mit steigenden Stückzahlen deutlich. Bei vergrößerten Volumen entwickeln sich die Kurve der Grenzkosten zu Limes gleich Null gegen Unendlich. Dieser Verlauf der digitalen Grenzkosten bei unendlichen großen Volumen von Limes Null ist einer elementaren Unterschiede zu den anderen beiden Kurvenverläufen. Bei großen Volumen entwickelt Digital einen Kostenvorteil gegenüber Manufaktur und Serie, dass hier immer bewusst auf die Skalierung wert gelegt wird um diesen auszunutzen.

Betrachtung des Lebenskostenzyklus

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Abbildung 3: Vergleich der Lebenskostenzyklus von Produkten aus den Produktionsmodellen Manufaktur, Serie und Digital zur Veranschaulichung der Verhältnisse der Kosten bei Installation, Betrieb und Entsorgung.

Bei der Betrachtung des Zyklus der Lebenskosten bestehen drei Phasen – Installation, Betrieb und Entsorgung. Zur Erklärungszwecken wird die Entsorgung bei Manufaktur, Serie und Digital zur Vereinfachung als identisch festgesetzt. Denn die relevanten Unterschiede zwischen diesen drei Optionen befinden sich in den Phasen Installation und Betrieb.

Bei der Manufaktur bestehen nur unwesentlich höher ausgeprägte Installationskosten als die folgenden Betriebskosten, resultierend aus dem geringeren Maschineneinsatz und dessen nicht notwendige Installation.

Bei der Serie sind die initialen Kosten für die Maschinen und Immobilien relevant höher als die folgenden Kosten des Betriebs. Aus diesem Grund entwickelt die Serie erst mit gesteigerten Stückzahlen einen Kostenvorteil gegenüber der Manufaktur (Skaleneffekte).

Bei Digital sind die initialen Investitionen deutlich höher als die Betriebskosten. Diese sehr hohen Kosten, bzw. die „Burn Rate“ in der Installationsphase resultieren aus der Erstellung der IT-Anwendungen mit Soft- und Hardware für die digitale Umsetzung. Um diese relativ hohen Installationskosten gegenüber der Serie einzuspielen, ist eine deutlich längere Ausnutzung der geringeren Betriebskosten notwendig. Jedoch können sich durch Standard-Software die Installationskosten signifikant reduzieren, da die Entwicklungskosten von mehreren Nutzern aufgebracht werden.

Konsequenzen aus den Kostenstrukturen

Diese unterschiedlichen Strukturen bei den Kosten von Manufakturen, Serienproduktion und bei Digital haben Auswirkungen auf den Erfolg. Alle drei haben ihre Bereiche in denen es ein klarer Kostenvorteil gegenüber den anderen besteht. Die Manufaktur ist bei kleinen Stückzahlen und hoher Individualisierung auch in Zukunft im Vorteil. Die Massen fixierte Serienproduktion wird die stärksten Veränderungen erleben, da diese von digitalen Lösungen mit zunehmenden Stückzahl konkuriert wird. Die Serienproduktion wird in Zukunft noch mehr mit ihrer Position des „Stuck in the Middle“ hadern. Durch die Grenzkosten Lines Null bei digitalen Lösungen, werden alle Digitallösungen aktiv um weitere Volumen werben um den Kostenvorteil zur Serie auszureizen. Dies hat viele weitere Konsequenzen die in einem kommenden Blog-Beitrag skizziert werden.

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Achim Teichert
Co-Founder und Geschäftsführer der Think-Tank-Beratungsgesellschaft #FORTSCHRITT.

Matthias Achim Teichert ist Co-Founder und Geschäftsführer der Think-Tank-Beratungsgesellschaft #FORTSCHRITT. Er ist Experte für Company Building und Start-up-Strategien. In diesem Zusammenhang liegen seine Schwerpunkte auf der erfolgreichen Skalierung von Geschäftsmodellen, Go-to-Market-Strategien sowie Marktanalysen. Des Weiteren ist er als Dozent an der WWU Münster für Polit-Ökonomie tätig.

Achim Teichert