Ein eigenes Start-up gründen?

Aber bitte mit Strategie!

Autor: Fabian Fritz (Consultant #FORTSCHRITT)
- 18.02.2021 -

Immer mehr angehende Unternehmer träumen von ihrem eigenen Start-up. Die Geschäftsidee ist dabei schnell gefunden, doch wer wirklich Erfolg haben möchte, muss sich mit seiner Strategie befassen. Doch welche Strategie ist die richtige? Gibt es überhaupt DIE Strategie, um ein Start-up erfolgreich zu machen?

Trotz der Corona-Krise boomt die Start-up Szene. Allein in Deutschland gab es im Q4 des vergangenen Jahres 701 neu gegründete Start-ups (Statista, 2021). Damit gibt es derzeit insgesamt ca. 51.000 Start-ups in Deutschland (Pitchbook, 2021). Hieraus wird deutlich, dass sich angehende Unternehmer nicht die Motivation am Gründen nehmen lassen wollen – auch nicht in einem Jahr, das aufgrund der Corona Pandemie in die Geschichte eingehen wird. Gerade die Tatsache, dass im Jahr 2020 knapp 38 Milliarden Euro an Wagniskapital in europäische Start-ups geflossen sind zeigt, dass der „Start-up Boom“ weiter anhält (Handelsblatt, 2020).

Von der Idee, über die Ansoff Matrix zur Strategie

Wie wir sehen, mangelt es also nicht an Neugründungen. Doch viel entscheidender ist die Frage, wie viele und in welcher Qualität sich die neugegründeten Unternehmen in einem hart umkämpften Wettbewerb durchsetzen können. Die erste Voraussetzung ist natürlich eine plausible Geschäftsidee. Ohne ein Produkt, das nicht klar einen Mehrwert gegenüber Konkurrenzprodukten bietet, wird es sehr schwer, in einen neuen Markt mit einem neuen Produkt einzutreten. Ein hilfreiches Konzept zur Erarbeitung und Einordnung der eigenen Geschäftsstrategie stellt dabei die Ansoff-Matrix da. Die nach dem Mathematiker und Wirtschaftswissenschaftler Harry Igor Ansoff (1965) benannte Matrix kann als Planungstool für zukunftsgerichtete Wachstumsstrategien genutzt werden (Ansoff, 1965). Bei der Ansoff-Matrix handelt es sich um eine Matrix mit vier verschiedenen Kategorien, aus der sich vier verschiedene Strategieoptionen ableiten lassen. Dabei beziehen sich die Spalten auf das Produkt oder die Dienstleistung und können dabei in „bestehend“ bzw. „neu“ kategorisiert werden. Die Zeilen spiegeln die Märkte wider. Auch hier unterscheidet die Matrix wieder zwischen Märkten, in denen das Unternehmen bereits aktiv ist und solchen, die sich neu erschließen lassen. In der Matrix selbst finden sich dann folgende vier Strategien:

  • Marktentwicklungsstrategie (aktuelle Produkte auf neuen Märkten)
  • Diversifikationsstrategie (neue Produkte auf neuen Märkten)
  • Marktdurchdringungsstrategie (aktuelle Produkte auf aktuellen Märkten)
  • Produktentwicklungsstrategie (neue Produkte auf aktuellen Märkten)

Ansoff Matrix

Abb. 1: Ansoff-Matrix

Mit der Erarbeitung der Ansoff-Matrix ist nun der nächste große Schritt auf dem Weg zur Geschäftsstrategie gemacht. Sie hilft dem Unternehmen dabei zu analysieren, wie man sich extern im Wettbewerb aufstellen will.

Doch nochmal zur Erinnerung: Was ist eigentlich eine Geschäftsstrategie?

Vereinfacht gesagt ist eine Geschäftsstrategie ein dokumentierter Plan, wie ein Unternehmen seine definierten Ziele erreichen kann. Oder anders ausgedrückt:

„Eine Strategie wird definiert als die grundsätzliche, langfristige Verhaltensweise der Unternehmung und relevanter Teilbereich gegenüber ihrer Umwelt zur Verwirklichung der langfristigen Ziele.“

Ohne Planung kein Erfolg!

Aber warum genau ist jetzt eine Strategie bei der Gründung eines Unternehmens so wichtig? Durch den Prozess der Strategiefindung bekommt ein Start-up ein Gefühl dafür, was ihre Fähigkeiten und Kompetenzen sind und wie sie vorgehen sollten. Keiner erwartet, dass ein junger Gründer auf Anhieb alles richtig macht. Jeder hat seine natürlichen Schwächen und Grenzen. Das Erarbeiten einer Strategie kann aber dabei helfen, die Schwächen aufzuzeigen und dafür zu sorgen, frühzeitig zu merken, an welchen Stellen es bei der Idee noch „hadert“. Das frühzeitige Erkennen dieser Schwächen ermöglicht es, schon vor der Gründung die ersten Hindernisse zu überwinden. Fakt ist, der langfristige Erfolg einer Unternehmensgründung hängt von der Wahl der richtigen Unternehmensstrategie ab, doch ironischerweise zeigen Studien, dass ca. 50 % aller Unternehmen ihre eigene Strategie nicht bzw. nur unzureichend benennen können (Khammar, 2019). Hierdurch wird deutlich, an was es den meisten Start-ups fehlt, nämlich an einer geeigneten Strategie! Dabei trägt die fortlaufende Digitalisierung eigentlich dazu bei, dass sich ganz neue strategische Ansätze offenbaren, um eine möglichst langfristige Unternehmensstrategie entwickeln zu können. Doch lange Rede kurzer Sinn, wie komme ich jetzt von der Idee, über die Ansoff-Matrix zu meiner Strategie?

Die klassischen Unternehmensstrategien

Neben der Ansoff-Matrix stehen Unternehmen rational gesehen vier unterschiedliche Strategien zur Verfügung, die in Abhängigkeit der Wettbewerbsposition zu den Mitbewerbern, der Attraktivität der Branche und der eigenen Kompetenzen zu sehen sind. Allerdings ist zu beachten, dass eine Strategie auch durchaus von einer irrationalen Ebene gekennzeichnet werden kann, die sich durch Kreativität und Intuition auszeichnet. Ein Beispiel hierfür wäre Apple, die seit Jahren diesen Ansatz verfolgen und denen es gelingt, aktive Preiskämpfe dadurch zu vermeiden, dass sie die Einzigartigkeit ihrer Produkte immer wieder deutlich machen und klar herausstellen.

Doch kommen wir nun zu den angesprochenen klassischen Unternehmensstrategien:

Unternehmensstrategien

Abb. 2: Vier klassische Unternehmensstrategien

  • Kostenführerschaft

Die wohl bekannteste Strategie ist die der Kostenführerschaft. Das Ziel ist dabei naheliegend: Unternehmen mit dieser Strategie zielen darauf ab, immer den geringsten Preis gegenüber dem Wettbewerb anbieten zu können. Ein Beispiel hierfür ist der Low-Cost-Carrier Ryanair. Der Billigfluganbieter setzt sich seit Jahren preislich von der Konkurrenz ab, wenngleich dabei gewisse Abstriche im Bereich Service und Komfort in Kauf genommen werden müssen.

  • Qualitätsführerschaft

Für die nächste Unternehmensstrategie bietet es sich an, in der Luftfahrtbranche zu bleiben. Die Qualitätsführerschaft zeichnet sich dadurch aus, dass aus Sicht der Nachfrager die Produkt- bzw. Servicequalität eines Unternehmens im Vergleich zu seinen Wettbewerbern als führend wahrgenommen wird. Mit dieser Strategie schaffte es Qatar Airways zu einer der besten Airlines der Welt.

  • Differenzierungsstrategie

Das Ziel der nächsten Strategie, der Differenzierungsstrategie, ist es, sich mit dem eigenen Produkt so von der Konkurrenz abzuheben, dass das Unternehmen von Kunden als besonders, im besten Fall sogar als einzigartig wahrgenommen wird. Meist ist genau diese Strategie das Ziel von Start-ups, die versuchen, mit einem innovativen, neuartigen Produkt auf den Markt zu kommen. Ein passendes Beispiel für die Differenzierungsstrategie ist N26. Das Berliner Unternehmen ist eine Direktbank, die sich auf die Kontoführung per Smartphone spezialisiert hat. Dabei ist Online-Banking nichts neues, doch N26 hat es geschafft, den kompletten Banking Prozess von der Kontoeröffnung bis hin zur Überweisung zu digitalisieren und weist damit eine klare Differenzierung gegenüber konkurrierenden Unternehmen auf.

  • Fokussierungsstrategie

Die letzte klassische Unternehmensstrategie ist die Fokussierungsstrategie oder auch Nischenstrategie genannt. Die genannte Strategie zeichnet sich dadurch aus, dass ein Unternehmen mit seinem Produkt nicht einen gesamten Markt, sondern nur einen Teil eines Marktes bearbeitet. Der Vorteil bei dieser Strategie ist, dass sich das Unternehmen auf ein einzelnes Produkt fokussieren kann und nicht versuchen muss, mehrere Produkte gleichzeitig zu entwickeln. Die Firma Porsche wäre dabei ein gutes Beispiel, da sie sich rein auf den Sportwagenmarkt konzentriert und nicht auf den gesamten Automobilmarkt.

Wie wir sehen, gibt es eine ganze Reihe an klassischen Unternehmensstrategien, die auch heute noch genau so von Unternehmen angewendet werden. Die Frage ist dabei nur: Machen die klassischen Strategien auch für Start-ups Sinn? Oder sollten sich die jungen, agilen und schnellwachsenden Unternehmen doch lieber für eine ganz andere Strategie entscheiden?

Strategie 2.0: Die hybride Antwort

Start-ups zeichnen sich meist durch eine ganz bestimmte Eigenschaft aus, nämlich die Geschwindigkeit. Sie sind agil, folgen immer öfter digitalen Trends und scheuen sich nicht davor, nach links und rechts zu schauen. Genau deswegen passen immer mehr Start-ups ihre Geschäftsstrategie in einem Tempo an, dem nur wenige Konkurrenten folgen können. Aus den genannten Gründen ist es auch nicht verwunderlich, dass sich die neugegründeten Unternehmen immer öfter gegen die klassischen Unternehmensstrategien und für eine hybride Unternehmensstrategie entscheiden. Ein Negativbeispiel für ein Unternehmen, das es nicht geschafft hat, seine Unternehmensstrategie anzupassen, ist Nokia. Der finnische Telekommunikationskonzern war jahrelang Weltmarktführer, doch als Apple im Jahr 2007 das erste iPhone auf den Markt brachte, verpasste es Nokia, seine Strategie so anzupassen, dass sie bei den immer besser werdenden Smartphones mithalten konnten.

Doch zurück zu der hybriden Unternehmensstrategie. Im Allgemeinen gibt es zwei unterschiedliche hybride Ansätze. Zum einen gibt es die so genannte Outpacing Strategie und zum anderen die Simultane Strategie.

Outpacing Strategie – Ihr Weg zur Leistungsdominanz

Bei der Outpacing Strategie kann ein innovatives Unternehmen beispielsweise zunächst die Differenzierungsstrategie anwenden, indem es ein neues Produkt auf den Markt bringt, das einen hohen Nutzen für den Kunden bietet und mit dem sich ein hoher Preis durchsetzen lässt. Sollten dann neue Wettbewerber auf dem Markt erscheinen, kann ein Wechsel zur Kostenführerschaft erfolgen. Dadurch, dass das Unternehmen bereits einen Entwicklungsvorsprung hat, kann es andere Preise anbieten als die aufkommenden Wettbewerber, die bei den sinkenden Preisen nicht die Qualität halten können und somit wieder von der Bildfläche verschwinden. Diese schnellen Strategiewechsel sind also eine gute Möglichkeit, um sich am Markt durchzusetzen, setzen aber voraus, dass das Unternehmen agil und schnell handeln kann. Ein gutes Beispiel dafür ist der Busreisenanbieter FlixBus, der sich in eine Nische reingedrückt hat und mit dauerhaften Kampfpreisen der Konkurrenz keine Chance gelassen hat.

Simultane Strategie – Mit Kombination zum Erfolg

Die zweite hybride Strategie ist die Simultane Strategie, die auf eine gleichzeitige Realisierung von Kosten- und Differenzierungsstrategie abzielt. Möglich ist diese Strategie zum Beispiel bei Mass-Customization. Dabei können neben individualisierten Produkten auch individualisierte Preise angeboten werden, die nur knapp über denen der Massenfertigung liegen. Ein geeignetes Beispiel hierfür ist der Sportschuhhersteller Nike, der mit dem Produkt NIkeID individualisierte Schuhe anbietet, die im Vergleich zu anderen Sportschuherstellern nur ein bisschen teurer sind.

Wie wir sehen, kann eine hybride Unternehmensstrategie viele Vorteile mit sich bringen und einen klaren Unterschied zu der Konkurrenz ausmachen. Doch für Start-ups kann, muss aber nicht, dieser strategische Ansatz der Erfolgsgarant sein.

#Fortschritt Fazit

Abschließend bleiben noch zwei Fragen zu beantworten: Macht es Sinn, sein eigenes Start-up zu gründen? Diese Frage lässt sich ganz klar mit einem JA beantworten, aber bitte mit einer Strategie. Aber gibt es auch DIE Strategie für mein Start-up? Nein, die gibt es nicht. Jedes Start-up muss sich selbst mit seinen eigenen Stärken und Schwächen auseinandersetzen, um die richtige Unternehmensstrategie zu finden. Wie in diesem Blogbeitrag aufgezeigt, gibt es viele Wege, um die richtige Strategie für sein Start-up zu finden. Sollten Sie bei der Erarbeitung oder Überarbeitung Ihrer Unternehmensstrategie, egal ob Start-up, Mittelstand oder Konzern, Unterstützung benötigen - das Team von #Fortschritt hilft Ihnen gerne dabei!

Fun Facts zum Thema Start-up:

  • Durchschnittsalter der Gründer: 29,1 Jahre
  • Geschlecht der Start-up-Gründer: 87% Männer, 13% Frauen
  • Team vs. Einzelgründungen: 77,9% Teamgründungen, 22,1% Einzelgründungen
  • Top Standort in Deutschland: Berlin mit 31,1 %

Fabian Fritz
Leiter der Projektrealisierungs-Einheit und Senior Consultant

Neben seinem Bachelorstudium an der University Applied Sciences Europe absolvierte er ein MBA Programm an der FH Wien. Der ehemalige Radprofi und Gründer eines Tech-Start-ups ist Experte für Unternehmensgründung und Projektmanagement.

Fabian Fritz