Hund & Katz
Autor: Matthias Achim Teichert (Partner #FORTSCHRITT)
- 27.01.2020 -
Die Dynamik und Kultur der Innovation erzeugt Begehrlichkeiten bei vielen Konzernen. Jedoch ist die Liste der gescheiterten Übernahmen lang. Dies hat Gründe und System! Nur wenn beiden Seiten die „Spielregeln“ klar sind, wird es erfolgreich sein.
Hund & Katz – Feuer & Wasser
Hund und Katz ist oftmals das passende Bild, in welcher Art sich Konzerne und Start-ups begegnen. Es kann funktionieren, aber meist sind die unterschiedlichen Ansichten und Ausrichtungen zu groß und es kommt zum Knall. Die Differenzen zwischen Konzernen und Start-ups sind mannigfaltig; insbesondere die Kultur, die bestehenden Strukturen, die internen Prozesse, die Art der Kommunikation und sicherlich auch die Eigenwahrnehmung unterscheiden sich in erheblichem Maße. Diese Differenzen artikulieren sich im Alltag vielseitig. Es beginnt mit dem Dress-Code und endet mit der nicht vorhandenen bzw. aktiv intern betriebenen Politik. Um mögliche negativ verlaufende Kooperationsszenarien zwischen Start-up und Konzern zu skizzieren, kann die Metapher von Feuer und Wasser und deren jeweilige Wechselwirkung zueinander genutzt werden.
- Wasser löscht das Feuer
- Wasser verdampft durch Feuer
- Viel Dampf und das Feuer ist aus
Während sich Feuer und Wasser auf der einen Seite neutralisieren, kann durch ebendiese Wechselwirkung wertvoller „Dampf auf dem Kessel“ und damit eine konstruktive Kraft entstehen. Um diese Kraft aufzubauen ist ein fein ausbalanciertes Zusammenspiel zwischen beiden notwendig. Das Feuer muss das Wasser erwärmen aber keines der beiden darf in diesem Balanceakt die Überhand gewinnen. Übertragen auf unser Beispiel können folgende Schlussfolgerungen gezogen werden:
Nur mit klaren Regeln ist es möglich, dass Konzerne und Start-ups gemeinsam erfolgreich sind – keiner darf dem anderen die eigenen Regeln diktieren.
Die Spielregeln für den Erfolg
Um die benötigten Spielregeln aufstellen und verstehen zu können, ist es wichtig, die allgemeine Struktur von Konzernen und Start-ups sowie die gegenseitige Konstellation zu betrachten. Branchenübergreifend lassen sich viele Gleichnisse zwischen Konzernen bei strukturellen und prozessualen Aspekten feststellen.
Bei Start-ups sind eine hohe Dynamik und geringe Strukturen üblich, deren Veränderung in drei Phase unterteilt werden kann:
1) Phase der Gründung
2) Phase als Rising Star
3) Phase als Big Player
Die hohe Dynamik und bei gleichzeitig geringer Struktur macht Start-ups sehr viel diverser als Konzerne. In der Gründungsphase werden die Start-ups in der Regel von einer hervorragenden Idee getragen. Die Herausforderung besteht meist darin, von dieser Idee über Prototypen zur Kleinserie zu kommen. In der zweiten Phase beginnen Start-ups mit der Skalierung und Etablierung von Strukturen und Kapazitäten. Hier entwickeln sich Start-ups zu einem potenziellen Partner oder auch Konkurrenten von Konzernen.
Einhergehend mit der Etablierung sind wachsende Umsätze und ein Anstieg der internen Prozesse zu beobachten. In der letzten Phase wandeln sich Start-ups zu „Big Playern“ und verändern die Art ihrer Innovation, nämlich von einer geschäftsmodell- und produktfixierten hin zu einer prozessualen Innovation (Siehe hierzu die #FORTSCHRITT Studie zur Innovationsfähigkeit). Bei der Erstellung der Spielregeln zwischen Konzern und Start-up ist es folglich elementar wichtig, dass beide Seiten die Stärken des anderen erkennen und wertschätzen.
Nur wenn dies gewährleistet ist, sollten Kooperationen eingegangen werden. Ob diese Kooperation Vertrieb, Produktion oder zum Beispiel den Kauf impliziert, ist der zweite Teil des Erfolgs. Denn bekanntlich passt zu jedem Topf ein Deckel, aber eben auch nicht jeder Deckel passt auf jedem Topf! Im Fazit: Nicht alle werden gemeinsam erfolgreich sein können.
Culture eats strategy for breakfast
Die eingeschliffene Kultur verhindert sehr häufig die erfolgreiche Umsetzung von Strategien. Auch zwischen Start-ups und Konzernen sind die Kulturdivergenzen ein Hort zum Scheitern. Bei der Übernahme und der anschließend angestrebten Integration von Start-ups in Konzerne dürfen nicht nur Assets eine Rolle spielen. Denn Start-ups sind durch ihre interne Dynamik und reduzierte interne Prozesslandschaft sehr personenabhängig. Diese Persönlichkeiten werden aber bei einer Assimilation meist nicht gehalten.
Häufig adressieren die Konzerne mit ihren karrieristischen Managern nicht einmal die Kulturprobleme und den daraus resultierenden Braindrain. Die Konzerne kommen mit einer regelrechten Welle von internen Prozessen und Regularien mit der Folge: Die Konzernkultur frühstückt die Strategie des Start-ups. De facto zerstören die Konzerne mit dieser Herangehensweise das eigentliche Objekt ihrer Begierde.
Bei kleinen Einheiten müssen schützende Barrieren und Freiräume bestehen bleiben, die als Teil eines eigenständigen Ansatzes für die Kooperation bzw. Integration zu verstehen sind. Denn die Start-ups können auch von den Konzernen lernen! So zum Beispiel bei der Skalierung von Ideen zu verkaufbaren Produkten und Dienstleistungen. Diesen Wechsel von Prototypen und Laborvolumen hin zur Bedienung eines breiten Marktes müssen die Start-ups lernen, wenn sie langfristig erfolgreich sein wollen.
Es gibt keine 100% Vergleichbarkeit, doch es gibt ähnliche Probleme bei der Übernahme von Start-ups durch Konzerne auf der einen Seite sowie zwischen zwei sehr diversen Firmen bei regulären M&A Aktivitäten auf der anderen Seite. Aus diesem Grund müssen auch ähnliche Ansätze zur Umsetzung angewandt werden, die dem Konzern als auch dem Start-up ihre Freiräume lassen. In der Kooperation und Bündelung der Stärken entwickeln sich Synergien und nicht im homogenen Einheitsbrei der Gleichschaltung.
Fazit – oder was bringt mir dieser Blog?
Konzerne brauchen die Dynamik und die Innovationen von Start-ups. Start-ups hingegen brauchen die Fähigkeiten zur Skalierung und oft auch Kapital. Dies wird jedoch nur mit klaren Spielregeln für beide Seiten, mit einer gegenseitigen Rücksichtnahme und einer respektvollen Offenheit funktionieren. In der Umsetzung wird jedoch jeder Fall individuell behandelt werden müssen, auch wenn sich klare Muster erkennen lassen.
Dennoch müssen es Konzerne auch in Zukunft wagen, sich mit Start-ups strategisch zu erneuern, um die aufkommenden Herausforderungen zu bewältigen. Mit Ignoranz, dem Agieren strikt nach Vorlage sowie der Gleichschaltung während des Integrationsprozesses wird es nicht funktionieren. Auch wenn es oft gut gemeint ist, ist es noch lange nicht gut gemacht! Die Resultate kann man bei VW und seinem hochgepriesenen Start-up Investment „Gett“ sehen, dessen Beteiligung von 300 Millionen Euro nun komplett abgeschrieben wird.