Nachhaltige Geschäftsmodelle

Eine neue Form der Bewertung

Autor: Matthias Achim Teichert (Partner #FORTSCHRITT)
- 07.11.2022 -

Wir sind uns alle bewusst, dass Nachhaltigkeit aktuell eines der zentralen und meistdiskutierten Handlungsprinzipien darstellt und für die grundlegende Entwicklung in den nächsten Dekaden von besonderer Relevanz sein wird. Die von der Europäischen Union vorgegebene Taxonomie-Verordnung und die daraus abgeleiteten Konsequenzen für die Kosten der Liquidität für Unternehmen wird die Bedeutung für nachhaltige Geschäftsmodelle noch weiter steigern [1, 2].

Mit vorgeschobenen Aktionen des Greenwashings wird es Unternehmen in Zukunft also nicht mehr gelingen, die Anforderungen der Banken für Finanzierungsprodukte zu erfüllen, da sie künftig neben den klassischen Risiken auch die Nachhaltigkeit der Kunden bewerten müssen.

Hintergründe der Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit ist ein Begriff, der schon seit über einem Jahrhundert verwendet wird und bereits im 18. Jh. in der sächsischen Forstwirtschaft geprägt wurde. Laienhaft ausgedrückt bedeutet es, umweltfreundlich und vorausschauend zu agieren und nicht mehr Holz zu fällen, als nachwachsen kann, um den Menschen und dem Planeten so eine langfristige Perspektive zu geben. Für eine differenzierte Sichtweise auf den Begriff und die Beantwortung der Frage, was Nachhaltigkeit umfasst, muss die Intention und Ausrichtung verstanden werden. Nachhaltigkeit bedeutet einerseits, unsere natürlichen Ressourcen für künftige Generationen nicht zu zerstören und andererseits, eine dauerhafte Bedürfnisbefriedigung mit ökologischen, sozialen sowie ökonomischen Aspekten in Einklang zu bringen. Externe Einflüsse, wie z. B. der Klimawandel und dessen gesellschaftliche Folgen, regulatorische Auflagen oder die Einpreisung von CO2 brachten das Thema Nachhaltigkeit auch auf die Agenda der Geschäftswelt. Aus diesem Grund werden sich die Unternehmen immer mehr bewusst, dass sie ihre Ausrichtung und Praktiken ändern müssen, wenn sie in ihrem Handeln nachhaltig sein wollen. Hierzu gehört, dass die erzeugten Produkte oder Dienstleistungen entlang der Wertschöpfungskette vom Einkauf, der Produktion, der Vermarktung, dem Betrieb bzw. Vertrieb bis hin zur Entsorgung den drei Säulen der Nachhaltigkeit gerecht werden müssen. Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Nachhaltigkeit ist eine funktionierende Kreislaufwirtschaft (Circular Economy).

Drei Säulen der Nachhaltigkeit

Die drei Säulen der Nachhaltigkeit wurden im Brundtland-Bericht der Vereinten Nationen (1987) definiert und festgelegt und umfassen Ökologie, Ökonomie und Soziales [3, 4].

Ökologie bedeutet, in Harmonie mit der Natur zu leben, indem z.B. Materialien recycelt oder der CO2-Fußabdruck begrenzt wird. Die Entnahmen von Rohstoffen und die Belastung der Natur darf nur im gleichen Umfang erfolgen, wie diese nachwachsen bzw. klimaneutral eingesetzt werden können.

Ökonomie bedeutet, Geschäftsmodelle so (weiter) zu entwickeln, dass sie die Nachfrage der Konsumenten bedienen und eine langfristige Wirtschaftlichkeit gewährleisten und gleichzeitig dafür sorgen, dass jeder eine Chance auf eine menschenwürdige Beschäftigung hat, mit welcher der Lebensunterhalt bestritten werden kann.

Die soziale Säule befasst sich mit einer gerechteren Verteilung der Ressourcen und Chancen. Nachhaltigkeit kann nicht ohne soziale Verantwortung erreicht werden, da ohne sie die gesellschaftliche Akzeptanz fehlen würde. Gleichwohl lässt sich vortrefflich streiten, wie eine gerechte Verteilung aussieht und praktisch umgesetzt werden kann.

Anreize schaffen – Verzichtappelle helfen nicht

Die Appelle, auf Konsum zu verzichten, sind bei den meisten Menschen nicht erfolgreich, da sie oft moralisch aufgeladen und durch keinen langfristigen Charakter geprägt sind. Zudem haben sich die Menschen an ihre jeweilige Lebensweise bzw. ihren Lebensstandard gewöhnt und weichen nur widerwillig vom erreichten Status quo ab. Aus dieser Ineffizienz von Appellen werden oft wenig wirksame ordnungspolitische Impulse in Form von Verboten oder Sanktionen verhängt. Diese stoßen jedoch in der Gesellschaft auf wenig Akzeptanz und sind nur durch eine konsequente und aufwändige Kontrolle umsetzbar [5].

Deutlich wirkungsvollere Impulse zur Veränderung von individuellem Verhalten sind dagegen Anreize für das gewünschte Verhalten. Entsprechende Anreize müssen wirtschaftlich und sozial attraktiv sein, wie z. B. eine Gutschrift für den Kauf von Elektroautos oder geringere Betriebskosten durch die Nutzung von nachhaltigen und umweltfreundlicheren Technologien. Auf lange Sicht bedarf es ein gesamtgesellschaftliches Umdenken, welches ebenfalls durch Aufklärung und Überzeugung herbeigeführt werden sollte.

Ökologische, ökonomische und soziale Gesamtkostenrechnung notwendig

Auch für Verhaltensweisen in Bezug auf Nachhaltigkeit müssen individuelle Vorteile bestehen, damit es sich gegenüber konventionellen Mustern durchsetzt. Um es ökonomisch auszudrücken:

Nachhaltigkeit muss eine bessere Gesamtkostenberechnung (Total Cost of Ownership) erzielen [6].

Für die Erstellung einer nachhaltigkeitsfokussierten Gesamtkostenrechnung ist neben der Berücksichtigung der Anreize auch das Einbeziehen aller Kosten (sozialer, ökologischer und ökonomischer) wichtig. In diesem Moment wird das Thema Nachhaltigkeit greifbar bzw. quantifizierbar und kann in das unternehmerische Controlling integriert werden. Aus diesem Grund ist es wichtig, vor allem ökologische und sozialen Kosten (CO2, Lärm, Schadstoffausstoß, Licht-Smog, Feinstaub, Elektro-Smog, Gesundheitsschäden, usw.) stärker einzupreisen als früher.

In der Konsequenz wäre ein nachhaltiger Geschäftsansatz sowohl für Unternehmen, die Gesellschaft, als auch für die Umwelt von Vorteil. Hier bedarf es jedoch klarer staatlicher Rahmenbedingungen, um das jeweilige unternehmensindividuelle Nachhaltigkeitskonzept z.B. an Richtlinien, Vorgaben und Grenzwerten auszurichten. Dies würde auch Anlegern auf dem Börsenparkett helfen, „echte“ nachhaltige Unternehmen von Mogelpackungen zu unterscheiden; die Nachfrage nach nachhaltigen Geldanlagen ist groß!

3 Phasen des Lebenszyklus

In der Praxis ist der Vergleich von Geschäftsmodellen auf deren nachhaltigen Charakter von einer hohen Komplexität geprägt, da neben den drei Aspekten der sozialen, ökonomischen und ökologischen Nachhaltigkeit auch der Gesamtlebenszyklus der Produkte bzw. Dienstleistungen im Fokus der Betrachtungen steht. Der Lebenszyklus kann dabei in drei Phasen aufgeteilt werden:

  • Phase I: Rohstoffgewinnung, Entwicklung, Produktion und Implementierung
  • Phase II: Nutzung, Betrieb und Wartung
  • Phase III: Entsorgung und Recycling

Dimensionen der Nachhaltigkeit Lebenszyklus

Abb. 1: Die drei Säulen der Nachhaltigkeit als Einflussfaktoren auf den Lebenszyklus, eigene Darstellung.

Nachhaltigkeitsmatrix

Das Ziel sollte darin bestehen, dass es Unternehmen gelingt, allen Phasen des Lebenszyklus auf Nachhaltigkeit auszurichten. Dies kann nur dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn ebenfalls alle drei Säulen der Nachhaltigkeit berücksichtigt werden. Für die Anpassung von Geschäftsmodellen z.B. die Herstellung/Erbringung von Produkten und Dienstleistungen ist es daher hilfreich, alle Schnittpunkte in einem ersten Schritt umfangreich zu analysieren.

Nachhaltigkeitsmatrix FORTSCHRITT

Abb. 2: Die #FORTSCHRITT Nachhaltigkeitsmatrix für eine systematische Analyse und Bewertung, eigene Darstellung.

Die Nachhaltigkeit von Geschäftsmodellen kann mit Hilfe dieser 9-Felder-Matrix analysiert und transparent gemacht werden. Diese Systematik kann Unternehmen dabei unterstützen, herauszufinden, in welchen Feldern Handlungsbedarfe bestehen und wie diese ggf. miteinander verbunden sind oder in Abhängigkeit zueinander stehen.

#FORTSCHRITT-Fazit

Nachhaltigkeit ist ein großes Thema und es ist oft schwer zu erkennen, welche Handlungsfelder es anzugehen gilt und womit man anfangen soll. Mit dem durch die Nachhaltigkeitsmatrix gewonnenen Verständnis können fundierte Entscheidungen abgeleitet und Maßnahmen entwickelt werden. Diese Maßnahmen und Entscheidungen müssen stets die potenziellen ökologischen Umweltauswirkungen, die sozialen Folgen und die ökonomischen Kosten für das Unternehmen im Blick behalten. Somit stellen Sie sicher, dass Ihre Nachhaltigkeitsbemühungen ernst gemeinten und strategisch durchdachten Überlegungen folgen und nicht als Aktionismus, Marketing-Kampagne oder Greenwashing verstanden werden.

Wenn Sie Nachhaltigkeit bei Ihren Geschäftsmodellen anstreben, kontaktieren Sie uns von #FORTSCHRITT gerne. Wir begleiten Sie auf dem Weg der Transformation Ihrer Geschäftsmodelle hin zu einer ökologischen, ökonomischen und sozialen Ausrichtung, die einer umfänglichen Prüfung standhält.

Achim Teichert
Co-Founder und Geschäftsführer der Think-Tank-Beratungsgesellschaft #FORTSCHRITT.

Matthias Achim Teichert ist Co-Founder und Geschäftsführer von #FORTSCHRITT. Er ist Experte für Nachhaltigkeit und Mobilität. In diesem Zusammenhang liegen seine Schwerpunkte auf der erfolgreichen Skalierung von nachhaltigen Geschäftsmodellen, Go-to-Market-Strategien sowie Marktbewertungen. Seine Expertise wird angefragt bei Digitalbeiräten, Enquetekommission sowie als Interviewpartner von WELT, SPON, RTL usw. Des Weiteren ist er als Dozent an Hochschulen und Speaker tätig.

Achim Teichert