New Work und dessen Impact auf die Gesundheit

Autorin: Lorina Brugger (B.Sc. Gesundheitsförderung - Gesundheitscoach)
- 07.08.2020 -

New Work - Neues Arbeiten: Ein Begriff, geprägt von dem Sozialphilosophen Frithjof Bergmann. Im Wandel der Zeit und der Bedürfnisse einer neuen Generation ist unser bisheriges Arbeitsleben veraltet. Bei New Work geht es nicht mehr (nur) um materielle Bedürfnisse und finanzielle Sicherheit, nein, die neue Generation Arbeitender sucht vielmehr nach Selbstbestimmung, Wertschätzung und Sinnhaftigkeit.

"Arbeit soll nicht weiterhin als eine milde Krankheit, sondern als ein kompetenz- und persönlichkeitsförderliches Element des Lebens verwirklicht werden." (Bergmann, 2017)

Psychische Gesundheit und New Work

Im Kontext von New Work fallen oft Buzzwords wie selbstständiges Arbeiten, demokratische Führungskultur, Flexibilität und Agilität. Das Thema des betrieblichen Gesundheitsmanagement (kurz: BGM) taucht bisher eher selten in der Literatur auf. Das hat vor allem den Grund, dass mit der Umsetzung von New Work Prinzipien schon viel für die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden getan wird. Neue Freiheiten, eine 4-Tage-Woche und eine gesteigerte Selbstbestimmung durch flache Hierarchiestrukturen verringern den Stress der Angestellten enorm. Der wichtigste Faktor dabei ist das psychologische Empowerment der Mitarbeitenden, bestehend aus erlebter Kompetenz und Bedeutsamkeit sowie Selbstbestimmung und Einfluss. Hier zu sehen ist das Rahmenmodell für den Zusammenhang zwischen New Work, psychologischem Empowerment und den Wirkungen aus dem aktuellen Fehlzeiten-Report (2019).

Fehlzeitenreport

Abb. 1: Rahmenmodell der Wirkung von New Work Maßnahmen (Quelle: Badura, B. et al., 2019)

Wie man sieht, führen New Work Maßnahmen nicht direkt zu den gewünschten Auswirkungen wie Zufriedenheit und Motivation, sondern die strukturellen Veränderungen werden von jedem Mitarbeitenden individuell interpretiert. Je nach Persönlichkeit, Kompetenzen und Motiven führt ein New Work Umfeld dann potenziell zu den positiven Wirkungen. Deshalb ist das lohnende Ziel für gesündere und motiviertere Angestellte, das psychologische Empowerment, also die Mittlerstruktur dieses Modells, zu stärken. Um den Grad an psychologischem Empowerment in eigenen Unternehmen empirisch und in wenigen Minuten zu erfassen, gibt es bereits ein Messinstrument (Schermuly, 2019).

Verschiedene Studien belegen den Zusammenhang zwischen psychologischem Empowerment und weniger Stresserleben (z. B. im Pflegebereich: Larrabee et al., 2010 oder bei Coaches: Schermuly, 2014). In einer Studie mit 103 rheinlandpfälzischen Konrektoren konnte ein negativer Zusammenhang zwischen psychologischem Empowerment und Burnout nachgewiesen werden, was bedeutet, dass je geringer das wahrgenommene psychologische Empowerment war, desto höher war die Ausprägung des Burnouts (Schermuly et al., 2011).

Freiheit als Stressauslöser?

Natürlich bedeutet die Möglichkeit, jederzeit und überall mit seinem privaten Smartphone Arbeitsmails und Anrufe entgegennehmen zu können, auch einen neuen potentiellen Stressauslöser. Die Frage ist, ob der Generation Z und damit den „digital natives“ nicht eine gewissen Kompetenz anerzogen ist, mit ihren mobilen Endgeräten umzugehen. Einen bewussten, gesunden Umgang mit unserer neuen Freiheit zu pflegen, ist heutzutage die Aufgabe eines jeden und jeder Einzelnen. Denn kein betriebliches Gesundheitsmanagement oder eine Führungskraft kann mehr kontrollieren oder groß beeinflussen, wie die Angestellten sich selbst innerhalb der gewonnenen Freiheit zu regulieren wissen. Positiv dagegen an Freiheiten wie Home Office oder flexible Arbeits- und Urlaubszeiten ist die Eingliederung von Randgruppen, beispielsweise Alleinerziehenden. Immer häufiger wird dahingehend von einer „Work-Life-Integration“ gesprochen, weil durch neue Freiheiten in der Arbeitswelt 4.0, wie mehr Home Office oder „bring your own device (BYOD), die Übergänge von Arbeit und Privatleben fließend sind.

Das Problem mit BGM in der „alten“ Arbeitswelt

Bei den meisten Unternehmen übernimmt das Gesundheitsmanagement mit einigen Arbeitsprozent irgendein/e Personalangestellte/r ohne diesbezügliche Qualifikation. Was dabei herauskommt, sind häufig Apfelkisten für die Mitarbeitenden und vielleicht noch ein Betriebssportkurs. Doch damit reduziert man leider keine Fehlzeiten. Vielen Firmen ist immer noch nicht bewusst, dass die Investition in eine Gesundheitsprävention der Angestellten zwar kurzfristig sehr hoch sein kann, sich jedoch langfristig potenziert wieder auszahlt.

Deshalb ist es essenziell, das betriebliche Gesundheitsmanagement professionell aufzuziehen – sei es durch einen externen Dienstleister oder durch eine neu geschaffene Stelle intern. Zum anderen ist es wichtig, die Mitarbeitenden partizipieren zu lassen. Denn was weiß ein Manager höherer Hierarchien, der direkt aus der Universität in den Betrieb kommt, von den Problemen des Lagermitarbeiters? Man tut sich also einen Gefallen, Vertreter/innen aller Hierarchiestufen und Abteilungen an einen Tisch zu sammeln, um das BGM wirksam zu konzipieren.

Was kann ein Unternehmen fern der Apfelkiste noch für die physische Gesundheit der Mitarbeitenden tun?

Neben den psychischen Aspekten sind die physischen Möglichkeiten der Gesundheitsförderung weniger neu, nichtsdestotrotz weiterhin essenziell. Das mitunter wichtigste Thema in der Gesundheitsförderung in Betrieben ist das Thema Sitzen. So verschenkt man statistisch gesehen pro Stunde Sitzen unglaubliche 20 Minuten Lebenszeit. (Starret et al., 2016). Zum Vergleich: pro Zigarette verlieren wir 11 Minuten. Zurecht wird Sitzen deshalb schon länger als „das neue Rauchen“ bezeichnet. Nicht zufällig gelten Rückenbeschwerden zu den häufigsten Ursachen für Arbeitsunfähigkeit (kurz: AU). Laut DAK Gesundheit (2017) haben sie einen Anteil von 5,8% der AU der Mitarbeitenden. Dreiviertel der befragten Beschäftigten hatten in den letzten 12 Monaten bereits Rückenschmerzen. Insgesamt ergaben Berechnungen, dass nur durch Rückenschmerzen in Deutschland pro Jahr Kosten in Höhe von 48,9 Milliarden Euro verursacht werden. Dagegen sehen die Kosten für einen elektrischen Stehschreibtisch für alle Beschäftigten plötzlich minimal aus. Mit dieser Anschaffung tun Unternehmen nicht nur für Ihre Mitarbeitenden etwas Gutes, sondern vor allem für der eigenen Wirtschaftlichkeit.

Mit gutem Beispiel voran

Es existieren bereits viele Firmen und Startups, die mit kreativen Beispielen für ein „new BGM“ voranschreiten. Zwei dieser Beispiele wollen wir uns einmal näher anschauen. Bei dem Produzenten von veganen Kondomen und Menstruationsprodukten „einhorn“ wird New Work bereits bis ins Detail gelebt. Von einem eigenen Psycho-Therapeuten, der während der Arbeitszeit und von der Firma bezahlt die Mitarbeitenden coacht, über gläserne Gehälter bis hin zu „menstruations-frei“ (engl: period-leave). Außerdem wird hier nach den Prinzipien der gewaltfreien Kommunikation gearbeitet.

Ein anderes Beispiel, das die individuelle Entscheidungsmöglichkeit der Mitarbeitenden fördert, ist die deutsche Bahn. Diese lies 130.000 Arbeitnehmenden die Wahl zwischen: 2,62 Prozent mehr Lohn oder eine um eine Stunde abgesenkte Wochenarbeitszeit bzw. sechs Tage zusätzlicher Erholungsurlaub jeweils ohne Lohnerhöhung. So kann jede/r Beschäftigte passend zum aktuellen Lebensmodell seine Prioritäten selbst entscheiden. Wie oben beschrieben, wird durch solche eine Intervention das psychologische Empowerment der Arbeitnehmer/innen gefördert.

Weitere Beispiele und Zukunftsmodelle sind in einer kürzlich erschienenen Publikation des Fraunhofer Instituts nachzulesen (Hofmann et al., 2019).

Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass New Work Arbeitsmodelle maßgeblich zur Förderung psychischer Gesundheit beitragen können. Die physische Gesundheit ist individuell je nach Branche zu fördern. Da mit steigenden Depressionszahlen die psychische Komponente jedoch mittlerweile einen höheren Stellenwert im betrieblichen Gesundheitsmanagement einnimmt, ist es unbedingt für Unternehmen zu empfehlen, Arbeitsmodelle der Zukunft zu implementieren. Wichtig dabei ist stets eine gute und klare Kommunikation sowie eine Partizipation der Mitarbeitenden.

    • Badura, B., Ducki, A., Schröder, H., Klose, J., & Meyer, M. (Hrsg.). (2019). Fehlzeiten-Report 2019: Digitalisierung - gesundes Arbeiten ermöglichen. Springer
    • Digitalisierung - gesundes Arbeiten ermöglichen. Springer
    • Bergmann, F. (2017). Neue Arbeit – Neue Kultur (6. Auflage). Arbor.
    • Hofmann, J., Piele, A., & Piele, C. (2019). New Work. Best Practices und Zukunftsmodelle. Fraunhofer IAO.
    • Larrabee, J. H., Wu, Y., Persily, C. A., Simoni, P. S., Johnston, P.A., Marcischak, T. L., & Gladden, S. D. (2010). Influence of stress resiliency on RN job satisfaction and intent to stay. Western Journal of Nursing Research, 32(1), 81–102.
    • Schermuly, C. C. (2014). Negative effects of coaching for coaches – An explorative study. International Coaching Psychology Review, 9(2), 165–180.
    • Schermuly, C. C. (2019). New Work – Gute Arbeit gestalten Psychologisches Empowerment von Mitarbeitern (2. Auflage). Haufe.
    • Schermuly C.C., Schermuly, R. A., & Meyer, B. (2011). Effects of vice-principals’ psychological empowerment on job satisfaction and burnout. International Journal of Educational Management, 25(3), 252-264.
    • Starrett, K., Starrett, J., & Gordoza, G. (2016). Sitzen ist das neue Rauchen. Riva.

     

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Dr. Marcus Lödige
Head of Research #FORTSCHRITT

Dr. Marcus Lödige (geb. Dodt) ist Head of Research bei der Think-Tank-Beratungsgesellschaft #FORTSCHRITT. Er ist Experte für Higher Education, Corporate Development, Market Research und New Work. Er hat an der Deutschen Sporthochschule Köln promoviert und ist zertifizierter Scrum Master.

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